
Rainer Schlösser, Stefan Schomann (Hrsg.)
„Sie haben uns im Herzen Mut gegeben“
Das DRK-Krankenhaus in Busan, Korea, 1954-59
(Beiträge zur Rotkreuzgeschichte, Band 13) AVM – Akademische Verlagsgemeinschaft München, München, 2024, 322 Seiten, broschiert, 37,00 €, ISBN 978-3-95477-179-0
Er dauerte fünf Jahre und endete 1959: Der erste humanitäre Auslandseinsatz des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) nach dem Zweiten Weltkrieg (1939-1945). Im Frühjahr 1954 hatte in Busan in Südkorea ein Krankenhaus seine Tore geöffnet, das bald Geschichte schrieb. Im Auftrag der Bundesregierung – die Entscheidung darüber gab Bundeskanzler Konrad Adenauer (1876-1967) bereits im April 1953 in Washington bei seinem ersten Besuch in den Vereinigten Staaten bekannt – stellte das DRK nach mehrmonatigen Vorbereitungen in der Hafenstadt vom 17. Mai 1954 bis zum 31. März 1959 die medizinische und pflegerische Versorgung der notleidenden Bevölkerung nach Ende des verheerenden Koreakrieges (1950-1953) sicher. Für das Deutsche Rote Kreuz sollte es einer der aufwendigsten Missionen seines Bestehens überhaupt werden. Zunächst als Feldlazarett im Koreakrieg gedacht, wurde es alsbald für die zivile Nutzung umgewidmet und leistete einen gewichtigen Beitrag zum Wiederaufbau des zerstörten Landes. Im Laufe von knapp fünf Jahren wurden dort mehr als 21.500 Patient:innen stationär und rund eine Viertelmillion Menschen ambulant behandelt, viele davon Kriegsflüchtlinge, darunter viele Arme und Bedürftige. Unter schwierigsten Bedingungen retteten dabei deutsche Ärzte und Rotkreuzschwestern Leben, brachten Kinder auf die Welt, pflegten Kranke und Verwundete und bildeten koreanische Schwestern und Fachärzte aus.
Deutschland unterstützte mit dem Krankenhaus den Wiederaufbau und die wirtschaftliche Entwicklung Südkoreas. Die Mission sollte nicht nur „einen Teil des Dankes abtragen, den das deutsche dem amerikanischen Volk für die mitmenschliche Hilfe in den ersten Nachkriegsjahren schuldet“, sondern – wenige Jahre nach Ende der NS-Herrschaft – auch dazu beitragen, verlorenes Vertrauen in die im Verlauf des Nürnberger Ärzteprozesses, der vom 9. Dezember 1946 bis 20. April 1947 stattfand, schwer in Misskredit geratene deutsche Ärzteschaft zurückzugewinnen.
In einer Zeit, in der es anfangs in beiden Landesteilen kaum ein funktionierendes Hospital mehr gab, trug das DRK-Krankenhaus in Busan wesentlich zur körperlichen und seelischen Gesundung der leidgeprüften Nation bei. Dennoch geriet dieser Langzeiteinsatz des DRK weitgehend in Vergessenheit und erfuhr erst in den letzten Jahren eine Neubewertung und Würdigung, insbesondere von koreanischer Seite. Nachdem das Deutsches Rotes Kreuz 2018 das Busan gewidmete, von Hans-Christian Bresgott, Hellmut Giebel, Anja Martin, Na Dong-Wook und Stefan Schomann verfasste Themenjournal „Hilfe in der Not. Das deutsche Krankenhaus in Busan“ in der Reihe „inform. Das Magazin des DRK“ veröffentlichte, um an das DRK-Krankenhaus in der vom Koreakrieg verwüsteten süd-koreanischen Hafenstadt Busan zu erinnern und zugleich aus verschiedenen Blickwinkeln einen seiner langwierigsten und schwierigsten Auslandseinsätze zu würdigen (vgl. die Rezension des Verfassers in: Geschichte der Pflege. Das Journal für historische Forschung der Pflege- und Gesundheitsberufe, 8. Jg., Ausgabe 1-2019, S. 51-52), gaben jüngst Stefan Schomann und Rainer Schlösser das umfangreiche Buch „‚Sie haben uns im Herzen Mut gegeben‘. Das DRK-Krankenhaus in Busan, Korea, 1954-59“ als Band 13 der „Beiträge zur Rotkreuzgeschichte“ heraus.
Der in Berlin lebende Germanist Stefan Schomann arbeitet als Autor und Journalist (https://www.stefanschomann.de/startseite), wobei er sich mit der Arbeit des DRK bereits seit längerem intensiv beschäftigt. So veröffentlichte er zum 150. Jubiläum des Roten Kreuzes 2013 das Buch „Im Zeichen der Menschlichkeit. Geschichte und Gegenwart des Deutschen Roten Kreuzes“ (vgl. die Rezension des Verfassers unter: https://www.socialnet.de/rezensionen/15826.php), in dem er in Bild und Wort die Geschichte des DRK von den Anfängen im 19. Jahrhundert durch die Zeiten der Weltkriege und der deutschen Teilung hindurch bis in die Gegenwart schildert. Ferner ist er Mitherausgeber der Bände 7, 8 und 10 der im Auftrag des Deutschen Roten Kreuzes e. V. und der Stiftung Rotkreuz-Museum im Land Brandenburg von Petra Liebner, Rainer Schlösser, Volkmar Schön und Harald-Albert Swik herausgegebenen Reihe „Beiträge zur Rotkreuzgeschichte“.
Prof. Dr. Rainer Schlösser aus Luckenwalde (Kreisstadt des Landkreises Teltow-Fläming in Brandenburg) war bis zu seiner Emeritierung 2008 Lehrstuhlinhaber für Romanische Sprachwissenschaft (Italienisch und Französisch) an der Universität Jena und leitete 16 Jahre lang (bis 2022) die Arbeitsgemeinschaft der deutschen Rotkreuz-Museen. eit ielen ahren hrenamtlich im DRK aktiv, unter anderem als Leiter des Rotkreuz-Museums uckenwalde https://www.drk-flaeming-spreewald.de/luckenwalde/rotkreuz-museum.html), veröffentlichte er zahlreiche Beiträge zur nationalen und internationalen Rotkreuzgeschichte, wobei er auch regelmäßig Beiträge für den „Rotkreuzblog“ des Landesverbandes Brandenburg e. V. (https://blog.drk-brandenburg.de/author/rainer-schloesser/) verfasst.
In ihrer Vorbemerkung (S. 9-11) weisen die Herausgeber darauf hin, dass der Einsatz in Busan, wenngleich einer der längsten und aufwendigsten in der Geschichte des Deutschen Roten Kreuzes überhaupt, sowohl innerhalb des DRK wie auch in der deutschen Öffentlichkeit, „gelinde gesagt, stiefmütterlich behandelt“ wurde. So sei es der koreanischen Seite vorbehalten geblieben, dieses bedeutende Kapitel koreanisch-deutscher Geschichte wiederzuentdecken: 2016 erarbeitete das koreanische Kulturzentrum in Berlin eine umfangreiche, auch künstlerisch inspirierende Ausstellung zum Thema, 2017 ehrte die Botschaft der Republik Korea in Deutschland eine Reihe von Veteranen des DRK-Krankenhauses und 2018 fand in Seoul eine militärgeschichtliche Tagung statt, auf die hin Deutschland in die Gruppe jener Staaten aufgenommen wurde, die Südkorea in der Kriegs- und unmittelbaren Nachkriegszeit mit medizinischer Hilfe beigestanden hatten. Zugleich habe dieser deutsche Beitrag auch in Museen wie der Kriegsgedenkstätte in Seoul oder dem Gedenkfriedhof der Vereinten Nationen in Busan einen prominenten Platz erhalten. Nach der Einweihung eines Denkmals im Garten des Berliner Generalsekretariats des DRK im Mai 2024 und einer der Mission in Busan gewidmeten Sonderausstellung der Stiftung Rotkreuz-Museum im Land Brandenburg in Luckenwalde, möchte die vorliegende Veröffentlichung dazu beitragen, so Stefan Schomann und Rainer Schlösser, eine der aufwendigsten Friedensmissionen in der nunmehr hundertsechzigjährigen Geschichte des Deutschen Roten Kreuzes in Deutschland zu vergegenwärtigen.
Das Buch, für das viele neue Text- und Bildquellen erschlossen werden konnten, gliedert sich in vier Bereiche, die insgesamt 24 Beiträge von 10 Autor:innen aus Deutschland und Korea vereinen, darunter historische Berichte und Erinnerungen von Zeitzeugen.
Im Mittelpunkt der fünf Beiträge, die im ersten Bereich „Essays“ (S. 15-114) versammelt sind, stehen die Einrichtung und der Arbeitsalltag des DRK-Krankenhauses in Busan, der Koreakrieg in der Frühphase des Kalten Krieges, die humanitäre und medizinische Hilfeleistung anderer Staaten (Dänemark, Indien, Italien, Schweden), die Entwicklung von Busan vom Fischerstädtchen zum Welthalfen und eine „Reflexion über ein fast vergessenes Kapitel deutsch-koreanischer Zusammenarbeit“.
Der zweite Bereich dokumentiert „Zeitzeugnisse“ (S. 115-212) über das DRK-Krankenhaus in Busan. Neben zeitgenössischen Veröffentlichungen der Ärzte Dr. Eberhard Daett (1912-2005) und Dr. Herbert Lieske, die 1959 in der Zeitschrift „Deutsches Rotes Kreuz. Zentralorgan des DRK in der Bundesrepublik Deutschland“ erschienen, stehen dabei Briefe von Gertrud Stork von der Badischen Schwesternschaft vom Roten Kreuz und Hedwig Ebert von der Schwesternschaft Wuppertal-Barmen, die privaten Erinnerungen von Dr. Wolfram Schopp (1921-2004) an seine Zeit in Busan, ebenso wie ein Beitrag des Radioreporters Gerd Ruge, den der Westdeutsche Rundfunk (WDR) am 31. März 1959 anlässlich der Schließung des deutschen Krankenhauses in Busan in der Sendung „Echo des Tages“ brachte.
Im dritten Bereich „Zeitzeugenberichte“ (S. 213-284) kommen zehn Personen, die im DRK-Krankenhaus in Busan mit den unterschiedlichsten Aufgaben und Funktionen betraut waren, mit ihren persönlichen Erinnerungen zu Wort. Die einzelnen Berichte stammen dabei nicht nur von Krankenschwestern, Ärzten, Technikern und Dolmetschern, sondern auch von Patient:innen, Schüler:innen und Angehörigen von Entsandten.
Der abschließende, vierte Bereich „Epilog“ (S. 285-316) dokumentiert vier Abschiedsbriefe aus Busan, würdigt mit Hedwig und Hubert Mayer zwei in Busan wirkende „Helden im Verborgenen“ und stellt als „Orte der Erinnerung“ die an das DRK-Krankenhaus und die Arbeit des DRK in Busan erinnernden Denkmäler in Busan und Berlin vor. Ferner berichtet hier der Journalist Norbert Jachertz unter der Überschrift „Beliebt und unentbehrlich“ über koreanische „Arbeitsmigranten“ in Deutschland.
Insgesamt betrachtet vermittelt das sehr informative, durchgehend mit zahlreichen zeitgenössischen Schwarzweiß- und Farbabbildungen illustrierte Buch, das parallel auch auf koreanisch erscheint, ein sehr authentisches Bild von der Arbeit des DRK-Krankenhauses in Busan 1954-1959. Wie die Darstellung anschaulich zeigt, stiftet dieses Krankenhauses auch siebzig Jahre nach seiner Eröffnung eine Brücke zwischen Ost und West. Zugleich bietet es ein lebendiges Beispiel für den Geist und für die Tatkraft des Roten Kreuzes, auch und gerade in schwierigen Zeiten.
Eine Rezension von Dr. Hubert Kolling
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