Mehr als 200 Pflegefachpersonen aus 26 Nationen nahmen an der 10. Biennalen Konferenz der ACENDIO vom 16. - 18. April am Inselspital, Universitätsspital Bern, teil. Die Teilnehmerinnen reisten aus Japan, Australien, vom ganzen amerikanischen Kontinent und aus ganz Europa an. Diese Vielfalt repräsentiert gut den aktuellen Stand zur Entwicklung und Umsetzung der standardisierten Pflegeklassifikationen in der ganzen Welt. ACENDIOsteht für „Vereinigung für gemeinsame europäische Pflegediagnosen, Interventionen und Ergebnisse“. Diese Konferenz war ein grosser Erfolg und eine der bestbesuchten ACENDIO Konferenzen in der 20-jährigen Geschichte von ACENDIO.
Prof. Elske Ammenwerth von der UMIT in Hall hielt die Eröffnungskeynote „eHealth and the changing role of the patient: What will the future bring?“Sie erläuterte, was eHealth ist und was damit nicht gemeint ist. eHealth bedeutet, die entstehende Informations- und Kommunikationstechnologie, speziell des Internets, zu nutzen um Gesundheit zu ermöglichen und Gesundheitssysteme zu verbessern. Sie zeigte verschiedene Szenarien von Internet basierten Kommunikationsmöglichkeiten auf wie die Kommunikation zwischen Spitälern/Institutionen, Anbietern (HausärztInnen, Rehabilitationszentren, Pflegeheimen), zwischen Anbietern und PatientInnen und zwischen PatientInnen unter sich. Dabei erläuterte Ammenwerth Möglichkeiten sozialer Netzwerke, Selbsthilfegruppen, Edukations-Apps, Mobile Health und von Patientenportalen. Den Schwerpunkt der eHealth Bewegung legte sie auf „Encouragement and Empowerment“. Sie bestärkte die in eHealth erklärten Ziele, neue Beziehungsmöglichkeiten zwischen PatientInnen und Gesundheitsfachpersonen zu schaffen welche eine echte Partnerschaft erlauben, sodass zukünftig Entscheidungen durch PatientInnen und Fachpersonen gemeinsam getroffen und PatientInnen in ihrer Eigenverantwortung gestärkt werden. Ein Wandel zur Patientenzentrierten Gesundheitsförderung –weg von der Krankheitsorientierung –ist das Ziel.
Prof. Gail Keenan von der University of Florida, USA, gab in ihrer KeynoteEinblicke in die Entwicklung eines Systems, das volle Interoperabilität –das heisst den Austausch und automatisierte Auswertungen von Pflegedaten über Settings hinweg –erlaubt. Während rund zwanzig Jahren entwickelte sie mit universitären Teams das System HANDS. Dieses basiert auf der NNN Klassifikation, ist in verschiedenen Spitälern im Einsatz und erlaubt Studien mit grossen Datenmengen (big data research). Beispielsweise untersuchte ihr Forschungsteam das Vorkommen von Schmerzen bei Patienten im Lebens-Endstadium auf acht Abteilungen von vier Spitälern. Dabei wurden über zwei Jahre total 40,747 Datenpunkte zur Schmerzeinschätzung des NOC Ergebnisses „Schmerzlinderung“ausgewertet. Die Resultate zeigten Verbesserungsbedarf in der Schmerzbetreuung. Bei Patienten mit weniger als drei Tagen Hospitalisation wurde die gewünschte Schmerzlinderung signifikant weniger erreicht als bei Patienten mit längerer Aufenthaltsdauer.
Das wissenschaftliche Niveau der rund 90 Vorträge war sehr hoch und bot dem Fachpublikum ein breites Spektrum an interessanten Themen. Exemplarisch sind hier einige aufgeführt: Entscheidungsfindung in elektronischen Systemen; standardisierte Pflegefachsprachen; Pflegeassessment; Klinik Informationssysteme; Pflegeklassifikationen in der Bildung; Pflegediagnosen, Pflegeinterventionen und Pflegeergebnisse (NANDA-I, NIC-NOC), Entwicklung und Einsatz von Pflegeklassifikationen, ICT für Patienten; Dokumentenanalyse, Pflegediagnosen und DRG sowie Messinstrumente zur Überprüfung der Dokumentationsqualität. Diese Auswahl stellt nur einen Auszug dar, gibt aber einen hervorragenden Überblick über das breite wissenschaftliche Spektrum.
Mehrere Vorträgen gezeigten, dass über 70% aller Studien zu Pflegeklassifikationen den Einsatz und die Qualität der Internationalen Pflegediagnoseklassifikation NANDA-I, der Pflegeinterventionsklassifikation (NIC) und der Ergebnisklassifikation (NOC) beschreiben. Die Kongressbeiträge zeichneten ein gleiches Bild. Möglichkeiten von klinischer Entscheidungsunterstützung mittels elektronischer Patientenakte wurden durch Einblicke wie „An electronic health record system with decision support in the whole nursing process“vorgestellt. Es gibt Systeme, welche automatisch alle Freitexteinträge von Pflegefachpersonen analysieren und entsprechende Pflegediagnosen vorschlagen.
Prof. Walter Sermeus, Präsident von ACENDIO bis zu dieser Konferenz, stellte mögliche Rollen und den Einfluss von Pflegenden in eHealth vor. Dabei verband er die Resultate der RN4Cast Studie mit Möglichkeiten von eHealth. Während seiner Präsidentschaft entwickelte sich ACENDIO stark weiter. So wurden eine eHealth Strategie für Europa und Standards entwickelt und die Zusammenarbeit mit verschiedenen europäischen Vereinigungen verstärkt (www.acendio.net).
Eine Studie aus den Niederlanden - vorgestellt durch Prof. Wolter Paans, Hanze Universität Groningen - die bei PatientInnen nach Hüftgelenksprothesen Einsatz nach Zusammenhängen zwischen Pflegediagnosen und Spitalaufenthaltsdauer fragte, belegte eindrücklich dass Pflegediagnosen die Länge der Spitalaufenthaltsdauer voraussagen. Ebenso zeigte sich die Anzahl der NANDA-I Pflegediagnosen als hochsignifikanter Prädiktor (Voraussagewert) für die Aufenthaltsdauer, während weder die Operationstechnik noch die DRGs einen Voraussagewert aufwiesen.
Matthias Odenbreit, Master in Nursing Science MNS, Projektleiter, Leiter Entwicklung und Forschung, Wigasoft AG, St. Gallen