Im Fokus: Minderjährige und junge pflegende Angehörige

Hauptbild Young Carers KonferenzErstmals wurden Forschungsergebnisse zu pflegenden Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen in der Schweiz an einer Tagung vorgestellt: Careum Forschung, das Forschungsinstitut der Kalaidos Fachhochschule Gesundheit, hat am 24. März 2017 in Neuchâtel neue Erkenntnisse präsentiert.

Spagat zwischen Angehörigenpflege, Schule und Ausbildung

Angehörige, die ein Familienmitglied unterstützen oder pflegen, werden von der schweizerischen Öffentlichkeit bereits wahrgenommen. Im Fokus stehen jedoch meist Erwachsene, die eine Pflegeverantwortung mit ihrer Erwerbstätigkeit vereinbaren müssen. Wenig bis keine Beachtung im nationalen Kontext finden jedoch minderjährige oder sich in Ausbildung befindende pflegende Angehörige. Durch die fehlende Sensibilisierung werden die sogenannten Young Carers weder wahrgenommen, identifiziert noch angemessen unterstützt. In Anlehnung an internationale Erhebungen kann man davon ausgehen, dass in der Schweiz 33 000–66 000 pflegende Kinder und Jugendliche beziehungsweise 22 000–26 000 junge Erwachsene substantielle Unterstützung für ihre erkrankten Familienmitglieder leisten. Sie stehen vor der Herausforderung, ihre Pflege- und Betreuungsrolle mit der Schule und Lehre vereinbaren zu müssen.

Young Carers-Forschung in der Schweiz

Diese Datenlücke wurde nun an der nationalen Tagung in Neuchâtel erstmals beleuchtet. Seit Oktober 2015 läuft das vom Schweizerischen Nationalfonds geförderte Projekt «Young Carers and Young Adult Carers in Switzerland» des Programms «learn & care» von Careum Forschung. Das Team um Prof. Dr. Agnes Leu war erfreut, an der Tagung erste gewonnene Ergebnisse zu präsentieren und das Thema in der Schweiz bekannter zu machen. Die Resultate aus 30 Interviews mit pflegenden Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen zeigen unterschiedliche Familiensituationen. Es lassen sich Parallelen zum internationalen Forschungsstand aufzeigen, vor allem was die Herausforderungen betrifft, vor die diese jungen Menschen täglich gestellt sind. Die Ergebnisse aus Fokusgruppengesprächen mit Fachpersonen aus verschiedenen Bereichen zeigen eine noch wenig vorhandene Sensibilisierung zum Phänomen der Young Carers.

Alle an einem Tisch

Neben den Forschungsresultaten wurden an der Tagung Praxisprojekte aus dem In- und Ausland vorgestellt. An einem moderierten Round Table mit Fachpersonen und Betroffenen wurden zudem geeignete Massnahmen für die Entwicklung bedarfsorientierter Angebote diskutiert, um diese jungen Menschen und ihre Familien entsprechend unterstützen zu können. Vertreter aus der Politik (Regierungsrätin Monika Maire-Hefti aus Neuchâtel und Dr. med. Margreet Duetz Schmucki, Leiterin Sektion Nationale Gesundheitspolitik, Bundesamt für Gesundheit, Bern), internationale Fachpersonen sowie betroffene jungen Menschen haben im Rahmen der Tagung mögliche Lösungsansätze diskutiert, damit geeignete Unterstützungs- und Entlastungsmöglichkeiten für diese jungen Menschen entwickelt werden können.

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Tagungsprogramm

Programm «learn & care» von Careum Forschung

Informationsmaterial und Medienberichte über Young Carers

Aktuelle Leitlinien und Standards für die Pflege auf einen Blick

zqplogo micrositeDas ZQP hat seine frei zugängliche Datenbank für pflegerelevante Leitlinien und Standards aktualisiert. Die 161 Dokumente sind systematisch erschlossen und mit Zusatzinformationen wie Gütehinweisen hinterlegt.

Berlin, 1. Juni 2017. Für die professionelle Pflege sind Leitlinien und Standards – wie die Expertenstandards – wichtige Qualitätsmaßstäbe. Sie bündeln aktuelles Wissen und bieten Handlungsorientierung. Bei der Vielzahl der Dokumente fällt es allerdings selbst Experten häufig schwer, den Überblick über deren Gegenstand, Aktualität und Güte zu behalten. Das Zentrum für Qualität in der Pflege (ZQP) bietet daher eine einzigartige, kostenlose Datenbank zu pflegerelevanten Leitlinien und Standards, die z. B. Pflegenden, Lehrenden und Lernenden sowie Wissenschaftlern leichten Zugang und umfängliche Informationen bietet. 

Die Datenbank hat das ZQP in Kooperation mit dem Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaft an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg auf Grundlage einer systematischen Literaturrecherche umfassend aktualisiert. Die Übersicht umfasst jetzt 161 deutsch- und englischsprachige Leitlinien und Standards. Neu in die Datenbank eingegangen sind Dokumente zu den Themen Schmerzmanagement, Harnausscheidung, Mobilisierung und Lagerung sowie zur Palliativversorgung. Auch zum Thema Dekubitusprophylaxe und -behandlung bzw. Versorgung chronischer Wunden wurden weitere Arbeiten aufgenommen. 

Die Untersuchung der Leitlinien und Standards aus dem deutschsprachigen Raum zeigt, dass aktuelle Dokumente wichtige methodische Qualitätskriterien erfüllen. Überall wurde der Erarbeitungsprozess beschrieben und die Empfehlungen mehrheitlich in einem klar definierten Abstimmungsverfahren verabschiedet. 

„Es ist sehr positiv, dass sich der Entwicklungsprozess für Leitlinien und Standards weiter verbessert hat. Allerdings gibt es auch noch einiges zu tun. Vor allem sollte die Bewohner- und Patientenperspektive im Erarbeitungsprozess stärker berücksichtigt werden. Schließlich sind sie es, die durch die Umsetzung von Leitlinien und Standards direkt betroffen sind“, erklärt Dr. Ralf Suhr, Vorstandsvorsitzender des ZQP. Besonders wichtig sei es daher, geeignete Verfahren zur Einbindung von Patienten- bzw. Bewohnervertretern zu entwickeln. Aus Suhrs Sicht besteht ein anderer wichtiger Ansatzpunkt für die Weiterentwicklung beim Praxistransfer: „Die Hinweise zur Umsetzung von Leitlinien und Standards bleiben eine große Herausforderung. Nur in wenigen Dokumenten werden Vorschläge zur Implementierung gemacht und entsprechende Kriterien dazu genannt.“ 

Mit der jetzt vorgelegten erweiterten Übersicht will das ZQP darum auch die Entwickler von Leitlinien und Standards unterstützen, vorhandenes Wissen aufzufinden und Impulse aus anderen Entwicklungsprozessen zu nutzen. Die Datenbank ermöglicht dafür eine einfache Recherche nach Titel, Thema, Herkunftsland oder Erscheinungsjahr der Leitlinien und Standards. Eingeschlossen sind dabei nun auch Dokumente, die zwar ohne pflegerische Beteiligung erstellt wurden, die aber Themen betreffen, in denen Pflegende ohne ärztliche Anordnung Entscheidungen treffen können oder die Maßnahmen beinhalten, die in den direkten Verantwortungsbereich der Pflegenden fallen. Zu allen Einträgen stehen weitere Informationen, z. B. Angaben und Links zu ergänzenden Informationen, wie Kurzfassungen oder Patientenversionen, zur Verfügung. Darüber hinaus ermöglicht die Datenbank die Suche nach internationalen Organisationen, die Leitlinien zur Verfügung stellen. 

Mehr zur ZQP-Datenbank finden Sie unter www.zqp.de/pflegeleitlinien.

Ultra-Niedrigbett verhindert Sturzverletzungen

ultra niedrigbett unten6,7 Zentimeter über dem Boden – so tief lässt sich ein Ultra-Niedrigbett für Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen herunterfahren, das die TH Köln und die TekVor Care GmbH in einem gemeinsamen Projekt zur Sturzprophylaxe entwickelt haben. 

Patientinnen und Patienten können sich so nicht mehr verletzten, wenn sie aus dem Bett fallen. Zugleich lässt sich das Bett vom Pflegepersonal in rund 20 Sekunden auf eine körperschonende Arbeitshöhe hochfahren. Das Projekt wurde durch das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM) des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie mit über 250.000 Euro gefördert. „Unser Entwicklungsprojekt musste zwei große Herausforderungen bewältigen: Der Abstand zwischen Boden und Matratzenauflage durfte maximal sieben Zentimeter betragen – bei dieser Höhe ist das Verletzungsrisiko für die Patientinnen und Patienten deutlich reduziert. Und dieses Ziel mussten wir in Leichtbauweise erreichen, damit das Pflegepersonal das Bett gut bewegen kann“, erläutert Prof. Dr. Jochen Blaurock vom Campus Gummersbach der TH Köln die Rahmenbedingungen. Das entwickelte Ultra-Niedrigbett kann nun auf 6,7 Zentimeter herunter und auf 64 Zentimeter hoch gefahren werden und wiegt rund 80 Kilogramm. Zielgruppe des Entwicklungsprojektes sind pflegebedürftige oder demente Menschen, die häufig einen großen Bewegungsdrang haben. Fallen diese Patientinnen und Patienten nachts aus dem Bett, ziehen sie sich nicht selten schwere Verletzungen zu. Bettgitter, Gurte oder andere freiheitsentziehende Maßnahmen zum Schutz der Patientinnen und Patienten sind ethisch bedenklich und erfordern das Einverständnis des Patienten oder einen richterlichen Beschluss.

Die TekVor Care GmbH brachte in das Gemeinschaftsprojekt ihre Expertise im Bereich der Betten- und Medizintechnik ein und testete den Prototypen: Mehr als 10.000 Testzyklen bei maximaler Belastung führte das Unternehmen durch und simulierte so die Gesamtlebensdauer des Bettes. Prof. Blaurock und sein Team vom Institut für allgemeinen Maschinenbau der TH Köln entwickelten die Rahmenkonstruktion des Bettes sowie die mechanischen Elemente und integrierten ein ultraflaches Antriebssystem. Zudem stellte das TH-Team sicher, dass das Bett alle Anforderungen der entsprechenden TÜV-Normen erfüllt. „Mit unserer Neuentwicklung bieten wir derzeit eines der niedrigsten Betten weltweit an“, sagt TekVor Care-Geschäftsführer Jakob Löwen. Krankenhäuser, Pflegestationen und Kunden aus dem Home Care-Bereich hätten bereits großes Interesse gezeigt.

 

Kurzinformation zum Ultra-Niedrigbett:
Obere Liegehöhe: 640 mm
Untere Liegehöhe: 67 mm
Maximales Gesamtgewicht: 80 Kg
Maximales Patientengewicht: 165 Kg
Verstellwinkel: Rückenteil 70° und Fußteil 30°
Lagerungsmöglichkeiten: Trendelenburg- / Antitrendelenburg-Lagerung
Liegefläche: 900 x 2000 mm, vierfach geteilt
Steuerung mittels Handbedienung

Weitere Infos: https://www.th-koeln.de/hochschule/ultra-niedrigbett-verhindert-sturzverletzungen_44269.php