Was sollen wir tun? (Risto, Karl-Heinz)Reihe PDL, Vincentz Network, Hannover 2012, 93 S., kart., 26.80 €, ISBN 978-3-86630-205-1Rezension von: Irmgard Hofmann, Pflegeethikerin |
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Das Buch löst bei der Rezensentin recht gemischte Gefühle aus. Der Autor will ethische Kon-zepte speziell für die Altenpflege fruchtbar machen, die seiner Meinung nach bezüglich ethischer Reflexion bislang unterrepräsentiert ist. Der rote Faden wird gehalten durch die fiktive Pflegedienstleiterin Petra Wagner, die sich in der Arbeit mit vielen ethisch relevanten Fragestel-lungen konfrontiert sieht. Etliche - gut gewählte - Fallbeispiele speziell aus der altenpflegerischen Praxis weisen darauf hin, wo das ethisch Problem liegt bzw. liegen könnte.
Ein erstes Ärgernis taucht auf, wenn der Autor die Pflegeethik im Krankenhaus eher unter Me-dizinethik subsumiert und diese dann als "Krisenethik" bezeichnet - im Gegensatz zur "Alltags-ethik" in der Altenpflege. Sowohl der pflegerische Alltag wie pflegerische Krisen gibt es in der Kranken(haus)- wie in der Alten(heim)pflege, seine Unterscheidung ist sehr willkürlich. Ähnlich künstlich ist die Trennung zwischen medizinisch-pflegerischen Herausforderungen und so ge-nannten sozialpflegerischen Herausforderungen. Ethische Fragen der Pflege umfassen generell beide Aspekte (und das sollte eigentlich auch für die Medizin gelten) und sie unterscheiden sich von ethischen Fragen der Medizin in erster Linie durch eine andere Zugangs- und Blickrichtung.
Die vielfältigen, nur oberflächlich erläuterten, ethischen Konzepte dürften Praktikerinnen, die vielleicht nur wenige Stunden Ethik in der Weiterbildung hatten, eher verwirren. Dazu kommen Einschübe von einigen Kommunikationselementen, wie etwa dem Wertequadrat von Schulz von Thun. Für ethische Laien ist nicht erkennbar, wann welches Konzept mit welchen Ergebnissen zum Tragen kommen könnte, in welchem Verhältnis die Konzepte zueinanderstehen bzw. nicht stehen und wodurch sich die ethische Reflexion von kommunikativen Strategien unterscheidet. Hilfreicher wäre es gewesen, sich hier auf ein oder zwei Konzepte zu beschränken.
Vielleicht wäre das alles vertretbar, wenn der Autor sich die Mühe gemacht hätte, statt einige - durchaus kluge - Reflexionsfragen zu stellen, für jedes "Ethikkonzept" eine Fallgeschichte sys-tematisch zu analysieren und mögliche Lösungshinweise aufzuzeigen. Leider geschieht das durchgängig nicht. Statt dessen scheint er zu erwarten, dass in der ethischen Analyse ungeübte Pflegedienstleitungen dies neben ihrem Alltag schon schaffen werden. So bleibt in vielen Fällen nach der Lektüre sicher Ratlosigkeit zurück.
Noch ein Hinweis: Es scheint praktisch, Pflegenden noch ein mehr oder weniges vereinfachtes Rezept bzw. Buch für ethische Fragen des Alltags in die Hand zu geben, damit diese ein biss-chen moralischer handeln. Aber letztlich fördert das nur die Feigenblatt-Mentalität der Trägeror-ganisationen. Eine kleine Fortbildung oder ein Buch von geringem Umfang und schon können die entsprechenden Mitarbeiterinnen viele Organisationsdefizite der Einrichtungsträger auffan-gen. Leider wird nicht erwähnt, dass es für die ethische Fallbesprechung und Reflexion Zeit und Raum braucht, die in der Regel nicht zur Verfügung gestellt werden.
Außerdem wäre es schön gewesen, wenn es Fallgeschichten geben würde, bei der sich die Pflegedienstleitung nicht nur über Mitarbeitende ärgert, sondern auch darüber, wie die Mitarbei-tenden bei chronischem Personalmangel oder schlechtem Arbeitsklima entlastet werden könn-ten, also ethische Aspekte des Führungsverhaltens.
Schade. Das Buch ist für den Inhalt zu teuer und suggeriert, dass Ethik relativ leicht, quasi nebenbei in den Leitungsalltag integriert werden könnte. Zu einer ernsthaften ethischen Reflexion braucht es aber mehr.