Geschichte der Berliner Krankenhäuser

geschichte berliner krankenhäuserAlfred Holzgreve, Gebhard von Cossel (Hrsg.)
Geschichte der Berliner Krankenhäuser

Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft. Berlin 2017, 200 Seiten, Hardcover, 49,95 Euro. ISBN 978-3-95466-276-0

Den Berlinern Krankenhäuser, die als Teil der Gesundheitswirtschaft zu den größten Arbeitgebern der Region zählen, kommt in der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung Berlins und des Umlandes eine sehr wichtige Rolle zu. Sie bieten rund um die Uhr nicht nur ein vollständiges Leistungsspektrum von der regionalisierten Basisversorgung bis hin zur medizinisch-technischen Spezial- und Hochleistungsmedizin, sondern gestalten auch den medizinischen und pflegerischen Fortschritt mit.
Die heutige Situation ist dabei das Ergebnis einer mehrhundertjährigen Geschichte, in der es immer wieder historische Brüche gab: von den Anfängen, über eine wachsende Stadt, bis hin zur geteilten Stadt und der Wiedervereinigung von Ost- und Westberlin. All diese verschiedenen Zeitspannen spiegelt das vorliegende Buch über die Berliner Krankenhäuser wider, die auf eine eindrucksvolle Geschichte zurückblicken können.
Für die Herausgabe des Sammelbandes, der 18 Beiträge von 22 Autorinnen und Autoren vereint, zeichnen sich Prof. Dr. med. Dr. phil. Alfred Holzgreve (Vivantes – Netzwerk für Gesundheit GmbH, Direktor Forschung und Lehre) und Dr. med. Gebhard von Cossel (MBA, Sana Kliniken AG, Leiter Unternehmensstrategie Medizin) verantwortlich. Das Werk, in dem alle relevanten Träger der Berliner Krankenhäuser zu Wort kommen, geht auf eine gemeinsame Veranstaltung der Berliner Krankenhausgesellschaft und der Berliner Krankenhausträger im Jahre 2010 zurück. Es enthält die dort gehaltenen Vorträge, die durch weitere Beiträge ergänzt wurden.

Brit Ismer, der Vorsitzende der Berliner Krankenhausgesellschaft, hat zu der Veröffentlichung ein Geleitwort beigesteuert, in dem er unter anderem zu deren Bedeutung und Intention festhält: „Dieses Buch zeigt auf sehr interessante und auch überraschende Weise Ausschnitte aus der wechselvollen Geschichte der Berliner Kliniken und mit welchen Herausforderungen sie zu allen Zeiten konfrontiert waren. Ihre Geschichte ist sehr vielfältig, oft geprägt von herausragenden Erfolgen, großen Wissenschaftlern und vorbildlichen Strukturen, aber auch von Zeiten, die zum Teil unmenschlich waren und heute nicht mehr vorstellbar sind“ (S. VII).

Insgesamt betrachtet gewährt das mit zeithistorischen Fotos und Dokumenten reich bebilderte Buch eine Vielzahl von Einblicken in die mehr als drei Jahrhunderte umfassende Krankenhausgeschichte Berlins. Demnach haben die Berliner Krankenhäuser zum großen Teil eine sehr lange und ruhmreiche Geschichte und spiegeln auch in den heutigen Strukturen oft noch sehr anschaulich die historischen Entwicklungen der Krankenhauslandschaft, aber auch der gesamten Stadt beziehungsweise des Landes Berlin über viele Jahrzehnte und Jahrhunderte wider. Eine ganz besondere Herausforderung bestand dabei nach dem Fall der Mauer 1989, als zwei sehr unterschiedliche Gesundheitssysteme ohne Planung und Kompatibilität aufeinandertrafen. Neben Überblicksdarstellungen wie „Die Entwicklung Berlins zu Großberlin: Expansion der Medizin in die Gesellschaft – Vergesellschaftung der Medizin“ (S. 1-7) von Prof. Dr. Thomas Beddies und institutionsgeschichtlichen Beiträgen wie „Vom Pesthaus zum Universitätskrankenhaus – Die Berliner Charité im historischen Überblick“ (S. 143-150) von Prof. Dr. Thomas Schnalke stehen eine Reihe von Arbeiten zu unterschiedlichen Themen, darunter beispielsweise von Dr. Bernd Köppl „Sektorenübergreifende Kooperation durch Polikliniken / MVZ“ (S. 61-69), Prof. Dr. med. Volker Hesse „Entwicklung der Säuglings- und Kindermedizin in Berlin“ (S. 39- 48), von Rolf Dieter Müller „Krankenversicherungssysteme in Berlin – Entwicklung der Krankenkassen am Beispiel der AOK Berlin“ (S. 71- 83), von Dr. Ellis Huber „Soziale Gesundheitswirtschaft – Medizin und Heilkultur im Wandel der Zeit“ (S. 129-135), von Dr. Andrea Grebe und Kristina Tschenett „Vivantes – Die Entstehung des größten kommunalen Krankenhauskonzerns in Deutschland“ (S. 137-142) sowie Susanne Hansch und Barbara Lay „HELIOS – Ein bundesweit tätiges Gesundheitsunternehmen mit zwei Kliniken in Berlin“ (S. 151-162).
Positiv hervorzuheben ist, dass sich zwei Beiträge – namentlich die von Dr. Hermann Simon „Die Geschichte des Jüdischen Krankenhauses Berlin unter besonderer Berücksichtigung der Zeit von 1933 bis 1945 (S. 49-53) und Dr. phil. Petra Fuchs „Zwangssterilisation und ‚Euthanasie‘ m Nationalsozialismus am Beispiel einer Lebensgeschichte“ (S. 55-60) – auch speziell das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte ab 1933 thematisieren, von dem auch der Krankenhausbereich nicht verschont blieb.
Wenngleich in Kliniken beziehungsweise Krankenhäusern eine Vielzahl ganz verschiedener Berufsgruppen arbeiten, wobei neben den Ärzten bekanntlich das Krankenpflegepersonal die bei weitem größte Gruppe ausmacht, konzentriert sich die vorliegende Darstellung nahezu ausschließlich auf die Medizingeschichte beziehungsweise deren Protagonisten, während entsprechende Informationen zur Pflegegeschichte – und dies gilt auch für die Bildauswahl, wo es neben einer Vielzahl von Fotos mit Vertretern der Ärzteschaft gerade mal ein Foto mit zwei Krankenschwestern (S. 156) gibt – äußerst schwach ausgeprägt sind. Selbst in dem Beitrag „Die DRK Kliniken Berlin – Modern aus Tradition“ (S. 171-178), den Doreen Fuhr, die Oberin der DRK-Schwesternschaft Berlin e.V., verfasste, wird die Pflege beziehungsweise das Pflegepersonal lediglich ganz am Rande gestreift. Hier hätte man sich gewünscht, dass bei der Bearbeitung der Themen beziehungsweise der Auswahl der Autorenschaft auch Pflegehistoriker*innen zu Wort gekommen wären.

Immerhin kann hier als löbliche Ausnahme – und zwar in Wort und Bild – der Beitrag von Prof. Dr. med. Helmut H. Knispel und Sylvia Thomas-Mundt „Das 19. Jahrhundert bis zum Zweiten Weltkrieg – Gründungsgeschichte am Beispiel des St. Hedwig-Krankenhauses“ (S. 9-19) genannt werden, der in seiner Darstellung gleichermaßen sowohl medizin- als auch pflegehistorische Gesichtspunkte berücksichtigt. So erfährt die Leserschaft etwa, dass am 14. September 1846 – der Tag gilt seither als Gründungstag für das St. Hedwig-Krankenhaus – die ersten vier Ordensschwestern vom Orden des heiligen Karl Borromäus aus dem Mutterhaus Nancy in Berlin eintrafen, um die Leitung und Pflege des neuen Krankenhauses zu übernehmen. Die in diesem Zusammenhang erwähnte Xaveria Rudler [1811-1886], die erste Oberin des neuen Krankenhauses, ist in dem Buch zugleich eine der ganz wenigen Ausnahmen, in denen eine Krankenschwester namentlich genannt wird. Unter pflegehistorischen Gesichtspunkten sind hier auch die weiteren Ausführungen lesenswert, wenn es – um nur ein Beispiel zu geben – über die Eröffnung der Krankenpflegeschule am 1. Oktober 1907 und deren Betrieb heißt: „Die Ausbildung dauerte ein Jahr. Der Unterricht wurde bis 1963 in den Mittagsstunden zwischen den Stationsdiensten erteilt. Die Ausbildung schloss nach erfolgter Prüfung mit der Ausstellung eines ‚Ausweises über die Erlaubnis zur berufsmäßigen Ausübung der Krankenpflege‘ ab. Pro Kurs wurden 15 Schülerinnen aufgenommen. Alle Schülerinnen wohnten im Krankenhaus“ (S. 13).

Wer das Buch zur Hand nimmt, sollte sich vom Titel nicht täuschen lassen. Wesentlich treffender als „Geschichte der Berliner Krankenhäuser“ wäre allemal „Beiträge zur Geschichte der Berliner Krankenäuser“ gewesen.

Eine Rezension von Dr. Hubert Kolling

100 Jahre Barmherzige Brüder Rilchingen 1917-2017

100 Jahre barmherzige bruederFranz-Ludwig Strauss
100 Jahre Barmherzige Brüder Rilchingen 1917-2017

Unter Mitarbeit von Ursula Strauss. Herausgeber: Barmherzige Brüder Rilchingen, Kleinblittersdorf-Rilchingen. Proprint-media Michaeli. Saarbrücken [2017], 120 Seiten, broschiert, ohne ISBN

Dass ausgerechnet ein Kaminkehrer Meister die Krankenpflege zu seinem Lebenswerk erwählt, erscheint mehr als unwahrscheinlich. Und doch war es der in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsene Peter Friedhofen (1819-1860), der seinen Beruf aufgab und am 13. November 1850 in seinem Heimatort Weitersburg (heute eine Ortsgemeinde im Landkreis Mayen-Koblenz in Rheinland-Pfalz) eine Genossenschaft von Laienbrüdern zur Haus- und Hospitalpflege von männlichen Kranken gründete. Für seine Gemeinschaft, die bis heute besteht, schrieb ihm der damalige Trierer Bischof Wilhelm Arnoldi (1798-1864) die Regel des heiligen Augustins und die Statuten der Alexianer vor, um die seit 1802 unterbrochene Tradition der Alexianer in seiner Diözese wieder aufleben zu lassen. Bei der Neufassung dieser Statuten im Jahre 1857 gelang es Friedhofen, eigene, über das Alexianer Ideal hinausgehende Gedanken (Ordenspatrone: Maria und Aloisius, Abänderung des Ordenskleides und -namens, stärkeres Gemeinschaftsleben in eigenen Hospitälern, allgemeine karitative Tätigkeit) darin zur Geltung zu bringen.

Die Gemeinschaft der Barmherzigen Brüder, die diese Forderungen aber erst nach dem Tod ihres Gründers vollständig verwirklichen konnte, erhielt 1905 und 1910 sowie endgültig am 29. April 1926 die päpstliche Bestätigung. Danach besteht die äußere Aufgabe der Gemeinschaft, die seit dem Jahre 1888 ihren ständigen Sitz in Trier hat, deshalb auch als Barmherzige Brüder von Trier bekannt ist und seit 1946 den Namen „Barmherzige Brüder von Maria Hilf“ führen, in der Ausübung der Werke der christlichen Nächstenliebe durch Verpflegung männlicher Kranker in Spitälern und Familien ohne Unterschied des Standes, der Religion und der Krankheit, sowie durch Betätigung auf allen übrigen Gebieten der Karitas.

Seit 1853 breitete sich die von Peter Friedhofen – Papst Johannes Paul II. (1920-2005) sprach den 1860 verstorbenen Ordensgründer am 23. Juni 1985 selig – gegründete Kongregation stark aus und erreichte im Laufe der Jahre eine Vielzahl von Niederlassungen. Heute sind die Barmherzigen Brüder vertreten in Deutschland, Luxemburg, Frankreich, Schweiz, Italien, Brasilien, Malaysia und Singapur. In Deutschland sind es die Krankenhäuser in Trier, Koblenz, Bonn, Paderborn, Marsberg, Bad Mergentheim sowie die Einrichtungen für alte und behinderte Menschen in Saffig (Ortsgemeinde im Landkreis Mayen-Koblenz in Rheinland-Pfalz), Trier-Schönfelderhof (Rheinland-Pfalz) und Rilchingen (einem Ortsteil der saarländischen Gemeinde Kleinblittersdorf im Regionalverband Saarbrücken).

Die Einrichtung in Rilchingen mit ihren gegenwärtig rund 360 Mitarbeiter*innen, die täglich mehr als 600 behinderte, alte und kranke Menschen betreuen, pflegen und umsorgen, konnte 2017 auf eine hundertjährige Geschichte zurückblicken. Die Barmherzigen Brüder nahmen das Jubiläum zum Anlass, die vorliegende Festschrift herauszugeben, die von Franz-Ludwig Strauss unter Mitarbeit von Ursula Strauss erarbeitet wurde. Der Autor, der als ausgebildeter Bauzeichner und Bauingenieur zuletzt bis zu seiner Pensionierung als Berufschullehrer tätig war, engagiert sich nicht nur im Be1964) und Chorleiter (1980 bis 2016), sondern seit vielen Jahren auch in der Erforschung der Lokalgeschichte. Hierzu veröffentlichte er eine Vielzahl von Aufsätzen, ebenso wie 1996 und 2013 ein zweibändiges Werk zur 750-Jahr-Feier seiner Heimatgemeinde.
Zu der ansprechend gestalteten Festschrift haben die folgenden zehn Personen ein Grußwort (S. 4-13) beigesteuert: Alfred Klopries (Hausoberer / Heimleiter) und Oliver Heydt (Kaufm nnischer Direktor), Dr. Stephan Ackermann (Bischof von Trier), Bruder Peter Berg (Generaloberer), Bruder Alfons Maria Michels (Geschäftsführer Barmherzige Brüder Trier e.V.), Andreas Müller (Pfarrer), Annegret Kramp-Karrenbauer (Ministerpräsidentin des Saarlandes), Monika Bachmann (Ministerium für Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie des Saarlandes), Stephan Strichertz (Bürgermeister der Gemeinde Kleinblittersdorf) und Dr. Erika Heit (Ortsvorsteherin Richlingen-Hanweiler).
Stellvertretend für andere sei hier Monika Bachmann zitiert, die in ihrem Grußwort über die vielfältige Arbeit der Barmherzigen Brüder schreibt: „Die Barmherzige Brüder gGmbH hat als Mitgestalterin einer sozial gerechten Gesellschaft heute viele Gesichter: Die wichtigsten sind die Seniorendienste mit vollstationären Plätzen u.a. für demenziell erkranke Menschen und ein ambulanter Pflegedienst ebenso wie stationäre und ambulant betreute Wohnangebote für Menschen mit einer geistigen und seelischen Behinderung oder chronischen Suchterkrankungen sowie ein Tagungszentrum“ (S. 11).

Gestützt auf sein umfangreiches Privatarchiv, vor alle aber auf Unterlagen aus dem Archiv der Barmherzigen Brüder Rilchingen und dem Mutterhaus in Trier, stellt Franz-Ludwig Strauss zunächst die Geschichte der Barmherzigen Brüder in chronologischer Reihenfolge in Wort und Bild umfassend dar (S. 17-65). Wie er hierbei zeigt, war der Kauf des Kurbads Rilchingen 1917 den Zeitumständen geschuldet, indem die Barmherzigen Brüder mit der Einrichtung eines Sanatoriums für Kinder auf die Ausbreitung der Tuberkulose reagierten, die damals die Statistik der Todesursachen in Deutschland anführte. 1923 zu einem Kinderheim erweitert, diente das Kurhaus im Zweiten Weltkrieg (1939-1945) als Lazarett mit Operationssaal (500 Betten) und danach als Versorgungsstätte für Kriegsheimkehrer und alte M nner. Im Laufe der Jahre – nach Umbauma nahmen und Nutzung für Silikose Kranke Bergleute – wurde das Leistungsangebot der Pflege von  lteren Menschen in den 1960er Jahren um die Betreuung von chronisch alkoholkranken, geistig und psychisch behinderten Menschen erweitert. 1983 konnte dann das neugebaute St.-Vinzenz-Haus mit 130 vollstationären Plätzen und 15 Kurzzeitpflegeplätzen eingeweiht werden. Um die Selbstbestimmung hilfsbedürftiger Menschen zu stärken, existiert unter anderem seit 1994 der „Rollende Mittagstisch“ und seit 2010 ein ambulanter Pflegedienst.

In weiteren Kapiteln stellt der Autor sodann die Geschichte aller Kapellen (Herz-Jesu-Kapelle im Haus St. Josef, die Kapelle im Kinderheim und die Kapelle im Haus St. Vinzenz) im Anwesen der Barmherzigen Brüder Rilchingen einschließlich ihrer künstlerischen Ausstattung (S. 66-79) sowie Leben und Werk von Peter Friedhofen (S. 81-84) vor, um dann unter der  berschrift „Barmherzige Brüder Rilchingen – ein Unternehmen mit Zukunft“ (S. 85-97) auf die jüngsten Entwicklungen einzugehen.
Ergänzt wird die durchgängig mit Schwarzweiß- und Farbabbildungen illustrierte Darstellung durch eine Zeittafel der Barmherzigen Brüder in Rilchingen mit den wichtigsten Ereignissen (S. 98-104) sowie eine Übersicht über die Vorsteher und Hausoberen der Barmherzigen Brüder Rilchingen (S. 105-106), ebenso wie über die dort tätigen Seelsorger und Seelsorgerinnen (S. 107). Gewünscht hätte man sich hier noch ein eigenes Kapitel, das speziell die „Pflege“ und ihre Entwicklung im Verlauf der letzten hundert Jahre auf lokaler Ebene in den Blick nimmt.

Unterdessen bleibt positiv hervorzuheben, dass die mit einem soliden Anmerkungsapparat ausgestattete Veröffentlichung kein „Eigengewächs“ ist, indem die Verantwortlichen einen Autor außerhalb ihrer Reihen mit der Erstellung beauftragt haben. Im Gegensatz zu manch vergleichbarem Werk wurde auch bei den Abbildungen, zumindest bei der weitaus überwiegenden Zahl, darauf geachtet, dass sie nicht nur eine fürs Auge angenehme Größe haben, sondern auch bestens beschriftet sind.
Finanziert wurde die Festschrift, die für einen Euro Schutzgebühr zugunsten des Fördervereins der Barmherzigen Brüder Rilchingen bezogen werden kann (Peter-Friedhofen-Straße 1, D-66271 Kleinblittersdorf- Rilchingen; Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.), scheinbar durch Inserate. Diese wurden dankenswerter Weise zwischendrin und insbesondere am Ende so platziert, dass sie beim Lesen nicht störend sind. Wer sich also über das Wirken der Barmherzigen Brüder Rilchingen im Verlauf ihrer hundertjährigen Geschichte und die damit verbundenen Höhen und Tiefen eingehend informieren möchte, kann dies nun bequem und einfach tun.

Eine Rezension von Dr. Hubert Kolling

„... der Dienst der Diakonie, das sind Jesu Hände.“ Die Diakonissen des Naemi-Wilke-Stifts in Guben 1878-2008

der Dienst der Diakonie das sind Jesu HändejpgWolfgang Rose
„... der Dienst der Diakonie, das sind Jesu Hände.“ Die Diakonissen des Naemi-Wilke-Stifts in Guben 1878-2008

(Einzelveröffentlichungen der Brandenburgischen Historischen Kommission e.V., Band 17). Bebra Wissenschaft Verlag. Berlin 2015, 192 Seiten, gebunden, 26,00 €, ISBN 978-3-95410-068-2

Seit 1878 ist das Naemi-Wilke-Stift (www.naemi-wilke- stift.de) in Guben (Niederlausitz) als kirchliche Stiftung weit über die regionalen Grenzen hinaus bekannt. Die vor nunmehr gut 130 Jahren durch den Gubener Hutfabrikanten und Geheimen Kommerzienrat Friedrich Wilke (1829-1908) gegründete Stiftung – die nach Naemi, der Tochter der Wilkes benannt ist, die im Alter von knapp 14 Jahren an Typhus starb und damit diese Stiftung ausgelöst hat – vereint heute neben einem Krankenhaus verschiedene Einrichtungen der Gesundheitsfürsorge und unterhält Einrichtungen für Kinder, Jugendliche und Familien. Mit zirka 400 Beschäftigten in der Stiftung und ihren Tochtergesellschaften, der Medizinischen Einrichtungsgesellschaft mbH (MEG) und der Verwaltungs- und Service GmbH (V&S), werden so jährlich mehrere tausend Menschen in unterschiedlichen Lebenslagen begleitet. Während in den letzten Jahren die ohnehin spärlich vorliegenden Forschungsarbeiten zur historischen Entwicklung der katholischen Krankenpflege kaum eine Bereicherung erfuhren, gaben die Jubil en in der Entwicklung einiger Diakonissenmutterh user den Anlass für Auftragsforschungen, aus denen unter anderem 2014 die Schrift von Annett Büttner über die „Diakonissenanstalt Dresden 1844-2014“1 und 2015 die vorliegende Arbeit von Wolfgang Rose über „Die Diakonissen des Naemi-Wilke-Stifts in Guben 1878-2008“ hervorgingen.

Nach seinem Studium der Geschichte und Altamerikanistik in Potsdam und Berlin wirkte der Autor, M.A. (Jahrgang 1962), von 2002 bis 2008 als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Projekt „Wohlfahrtspflege und Fürsorge in der preußischen Provinz Brandenburg im 19. und 20. Jahrhundert“ der Universität Potsdam mit, bevor er von 2009 bis 2014 in der DFG-Forschergruppe „Kulturen des Wahnsinns“ am Charité Institut für Geschichte der Medizin arbeitete. Wolfgang Rose veröffentlichte Schriften zur Medizingeschichte und zur regionalen Geschichte im Land Brandenburg, darunter (mit Annette Weinke) „Anstaltspsychiatrie in der DDR. Die brandenburgischen Kliniken zwischen 1945 und 1990“ (Berlin 2005) und (mit Tobias Öchsle) „August Julius Wredow. Leben und Vermächtnis – eine Annäherung“ (Berlin 2017). Im Hinblick auf die Geschichte der Krankenpflege sind vor allem seine Beiträge „Das Naemi- Wilke-Stift im Kaiserreich (1877-1918)“ und „Das Naemi-Wilke-Stift im Dritten Reich“ hervorzuheben, die er zu dem von Stefan Süß und Gottfried Hain herausgegebenen Band „Das Naemi-Wilke-Stift in Guben. Eine Stiftung zwischen Tradition und Moderne“ (Berlin 2005) beisteuerte.

Geschichte kann bekanntlich verschieden geschrieben werden. Anknüpfend an die 2005 erschienene Publikation zur historischen Entwicklung dieser diakonischen Institution wird nun die Geschichte derjenigen erzählt, durch deren persönlichen Einsatz ganz wesentlich die Aufgabe der Stiftung als „Werk christlicher Liebestätigkeit“ mit Leben erfüllt wurde. Entsprechend dem hierfür vom Autor gewählten Biografie geschichtlichen Ansatz gliedert sich der Band thematisch in die Kapitel „Der Entschluss“ (S. 11- 30), „Die Aufnahme“ (S. 31-56), „Die Glaubensgemeinschaft“ (S. 57-74), „Die Dienstgemeinschaft“ (S. 75- 106), und „Die Lebensgemeinschaft“ (S. 107-135), wobei die gewählten Überschriften darauf hinweisen, dass hier die Diakonissen selbst st rker im Zentrum des Interesses stehen als die Institution Mutterhaus. Sr. Adelheid Hahn, die letzte, emeritierte Oberin des Naemi-Wilke-Stiftes steuerte zu dem Buch ein Vorwort bei, indem sie insbesondere auf das Jahr 2008 verweist, als die Diakonissen mit der Übergabe des „Diakonissenvermächtnisses an den Stiftsvorstand“ die besondere Etappe der Mutterhausdiakonie im Naemi-Wilke-Stift beendeten. Zur Bedeutung und Intention der Veröffentlichung hält sie sodann wörtlich fest: „Das Buch erinnert an diese Geschichte und würdigt damit diesen besonderen geistlichen Dienst, den Diakonissenmutterhäuser Kaiserswerther Prägung an mehr als 70 Standorten in Deutschland geleistet haben und weiterhin in anderer Form leisten. Es ehrt zugleich die vielen Schwestern, die von Guben aus den Dienst barmherziger Nächstenliebe getan haben“ (S. 7).

In ihrer Einführung halten Rektor Pfarrer Stefan Süß und Verwaltungsdirektor Gottfried Hain zur Entstehung des Buches fest: „1883/84 kam es zur Gründung eines eigenen Diakonissenmutterhauses im Naemi-Wilke-Stift. Von den inzwischen 137 Jahren Stiftsgeschichte ist die bisher längste Zeit durch Schwestern des Diakonissenmutterhauses geprägt worden. Der Rückgang dieser prägenden Entwicklung begann nach dem Zweiten Weltkrieg. Inzwischen stehen wir am Ende dieser besonderen Mutterhaus-Geschichte im Naemi-Wilke- Stift, das bereits 2008 mit dem Diakonissenvermächtnis markiert worden ist. Dies war Anlass für den Vorstand, nunmehr auch dieses Buch zu beauftragen“ (S. 9).
Neben einem Nachwort von Pfarrer Stefan Süß wird der Band durch einen Anhang ergänzt, der unter anderem wichtige Daten zur Geschichte des Diakonissenmutterhauses im Naemi-Wilke-Stift Guben, Schwesternlisten sowie Anmerkungen und den Abbildungsnachweis enthält.
Wie die Darstellung von Wolfgang Rose zeigt, begriffen die evangelisch-lutherischen Schwestern des Diakonissenmutterhauses im Gubener Naemi-Wilke-Stift ihre Tätigkeit des Helfens und Heilens als „Jesu Hände“. Das Wirken der Diakonissen war dabei von Frömmigkeit ebenso wie von lebenspraktischem Realismus geprägt. Gestützt auf Archivalien und zeitgenössische Veröffentlichungen zeichnet der Autor das Bild einer Gemeinschaft, die unter wechselnden politischen und sozialen Bedingungen an dem Anspruch festhielt, Dienst für die Schwächsten der Gesellschaft zu leisten. Zugleich kommen die Ursachen für Entstehung, Blütezeit und Ende der weiblichen Diakonie als einer historisch bedingten Form sozialer Arbeit in den Blick, wobei auch die NS-Zeit – Sterilisierungen von psychisch kranken und behinderten Menschen wurden auch im Krankenhaus des Naemi-Wilke-Stifts vorgenommen, ebenso wie der Abtransport von behinderten Pfleglingen im Rahmen der „Euthanasie“-Mord-Aktion T 4 – nicht ausgeblendet wird.
Wie Wolfgang Rose darlegt, war bereits der Entschluss, in ein Diakonissenmutterhaus einzutreten, nicht nur eine Berufswahl: „Wer sich dafür entschied, wählte einen bestimmten Lebensentwurf; eine Gemeinschaft unverheirateter Frauen, die sich dem Dienst an Hilfsbedürftigen aller Art ‚weder um Lohn noch um Dank‘ verschrieben hatte und deren Zusammenleben stark von den Regeln einer gemeinsamen Glaubenspraxis geprägt war“ (S. 11). Beides habe den Alltag und damit auch die Biografien der Mitglieder dieser Glaubens-, Dienst- und Lebensgemeinschaft strukturiert.

Die Aufnahme ins Gubener Mutterhaus war dabei laut Wolfgang Rose zunächst ein bürokratisches Verfahren gewesen, bei dem die eingereichten Bewerbungspapiere – insbesondere der Geburts- und Taufschein, der Lebenslauf, das seelsorgerische Zeugnis und das ärztliche Gesundheitszeugnis – eine bedeutende Rolle spielten. Im Gegensatz zu diesen „äußeren Dingen“ hätten die „inneren Dinge“ sehr viel mehr Zeit in Anspruch genommen: „Es war ein längerer spiritueller Prozess, den eine Reihe von Ritualen begleitete und der seinen Höhepunkt in der Einsegnung zur Diakonisse fand“ (S. 56). Wie der Autor weiterhin darlegt, war Religiosität stets ein zentrales Moment für das Handeln der Gubener Schwestern, auch wenn es in den Bewerbungsunterlagen manchmal in den Hintergrund tat und im bürokratischen Aufnahmeverfahren teilweise von anderen Erwartungen überdeckt wurde. Diakonisse zu sein habe nicht nur einen sozialen Status der betreffenden Person markiert, sondern sei zugleich auch aufs Engste mit der religiösen Praxis – im Fall des Gubener Mutterhauses mit der lutherischen Form des christlichen Glaubens – verbunden gewesen. Die Akzeptanz der religi sen Seite des diakonischen Wirkens sei mit der zunehmenden Säkularisierung der Gesellschaft immer geringer und damit ihre Durchführung schwieriger geworden. Gleichwohl lasse sich „ohne diese starke religiöse Bindung […] der teilweise aufopfernde Dienst für schwache, kranke, behinderte oder sozial benachteiligte Menschen, den die Gubener Schwestern mehr als ein Jahrhundert lang leisteten, nicht erklären“ (S. 74).
Frauen, die in die „Dienstgemeinschaft“ der Gubener Schwestern eintraten, begaben sich nach Wolfgang Rose in ein patriarchales Arbeitsverhältnis. In dem Kaiserswerther Modell der weiblichen Diakonie, das auch in Guben galt, sei das Mutterhaus als bürgerliche Familie angelegt gewesen. Der Pastor als Vorsteher übernahm dabei die Vaterrolle, während die Oberin als Mutter angesehen wurde. Die Diakonissen waren demnach ihre Kinder, denen ihre Sorge galt, solange sie Teil der „Familie“ waren, auch im Fall von Krankheit oder dauernder Arbeitsunfähigkeit. „Die Kehrseite dieser sozialen Absicherung“, so der Autor, „war die bedingungslose Unterordnung unter die Anordnungen der Mutterhausleitung“ (S. 101).
Die Glaubens- und Dienstgemeinschaft des Gubener Mutterhauses, die sich weitgehend aufgrund vorgegebener Bedingungen konstituierte, wurde während der Zeit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft mitunter auf harte Proben gestellt, wie der Autor am Schicksal von Maria Oppenheimer zeigt. Die Diakonisse jüdischer Herkunft wurde aus dem Beruf vertrieben und ins Warschauer Ghetto deportiert, wo sie vermutlich starb. Die persönlich loyale Haltung der Mutterhausleitung gegenüber ihrer stigmatisierten Schwester reichte nicht aus, um sie vor der Vernichtung zu bewahren. Auch ihre Mitschwestern waren dazu nicht in der Lage, bekundeten aber ihre freundschaftliche Verbundenheit – auch gegen das von der nationalsozialistischen Obrigkeit postulierte Kontaktverbot zu „Nichtariern“.

Das Buch ist durchgehend mit zahlreichen Abbildungen und historischen Dokumenten illustriert. Zudem enthält es eine Bildserie „Aus dem Leben der Diakonissen“ (Seite 161-174), die sich aus zwei Quellen speist: einer Sammlung der Schwester Emma Gütebier – die 1936, 19-jährig, dem Gubener Mutterhaus beigetreten war und auf verschiedenen Stationen des Krankenhauses und Außenstationen gearbeitet hatte – und Aufnahmen des Fotografenmeisters Karl Freytag von 1952. Während erste, aus der Erinnerung kommentiert, einen sehr persönlichen Einblick in mehrere Jahrzehnte des Lebens in der Gubener Schwesternschaft geben, zeigen letztere, vermutlich vom damaligen Vorsteher Superintendent Wilhelm Brachmann und Oberin Else Frey zur Werbung für das von Nachwuchssorgen geplagte Mutterhaus in Auftrag gegeben, die Diakonissen in verschiedenen Arbeitsfeldern und Räumlichkeiten des Naemi-Wilke-Stifts. Dem Autor wie dem Naemi-Wilke-Stift kann man zu der gelungenen Publikation nur gratulieren. Das mit einem profunden Anmerkungsapparat ausgestattete Buch kann allen an der Geschichte der Krankenpflege Interessierten zur Lektüre wärmstens empfohlen werden. Möge die Veröffentlichung zugleich als Orientierung für die Erarbeitung künftiger „Festschriften“ dienen.

Eine Rezension von Dr. Hubert Kolling


1 Vgl. die Rezension des Verfassers unter: www.socialnet.de/rezensionen/16973.php [06.06.2014]).