Krankenpflege im Nationalsozialismus (Rezension)

Krankenpflege im Nationalsozialismus (Hilde Steppe (Hrsg.))

Mabuse-Verlag. Frankfurt am Main, 2001, 9. Aufl., 259 S., 21.90 EUR - ISBN: 3-925499-35-0

Rezension von: Dr. Hubert Kolling

In den letzten Jahrzehnten hat sich die Krankenpflege in Deutschland durch eine umfassende Auseinandersetzung mit ihren Inhalten, ihrem Wissen, ihren Strukturen und ihrer Ausbildung auf den Weg der Professionalisierung begeben, sowohl akademisch als auch praxisbezogen. In wieweit in diesem Zusammenhang berechtigte Hoffnung besteht, dass sich auch die Geschichte der Pflege im Kontext mit dem Prozess der Akademisierung zu einem Zweig der Pflegeforschung profiliert, wird sich erst noch zeigen müssen. Der nach dem Zweiten Weltkrieg mit den Arbeiten von Anna Sticker (1902-1995) außerhalb der Medizingeschichte wahrzunehmende Beginn der Erforschung pflegegeschichtlicher Phänomene hat sich bis jetzt auf Schwerpunkte konzentriert, die einen deutlichen Konsens mit der Frauenforschung und mit sozialgeschichtlichen Betrachtungsweisen erkennen lassen: Die Entstehung der Diakonissenbewegung, die Gründung der Berufsorganisation der Krankenpflegerinnen, vor allem die Konstruktion des bürgerlichen Frauenberufs Krankenpflege oder das Verhalten des Pflegepersonals und seiner Organisationen in der NS-Zeit, um nur die wichtigsten zu nennen.

Hinsichtlich der Erforschung der Krankenpflege während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft bestehen freilich noch erhebliche Lücken; eine ausführliche Geschichte der Krankenpflege im Nationalsozialismus muss erst noch geschrieben werden. Bis dahin verdienen entsprechende, vor allem - neben Arbeiten von Horst-Peter Wolff - die von Hilde Steppe (1947-1999) vorgelegten und auch international beachteten Untersuchungen große Beachtung. So trägt insbesondere der von Hilde Steppe herausgegebene Sammelband "Krankenpflege im Nationalsozialismus" wesentlich dazu bei, das wohl dunkelste Kapitel in der Berufsgeschichte der Krankenpflege wesentlich zu erhellen. Dabei möchte die Veröffentlichung, wie die Autorin, die als Krankenschwester und Diplom-Pädagogin von 1992 bis 1997 das Referat "Pflege im Gesundheitswesen" im Hessischen Ministerium für Umwelt, Energie, Jugend, Familie und Gesundheit leitete, bevor sie 1998 zur Professorin für Pflegewissenschaft an der Fachhochschule Frankfurt am Main berufen wurde, in ihrem Vorwort schreibt, "nicht den Anspruch erheben, diesen Zeitraum pflegerischer Geschichte auch nur annähernd vollständig wiederzugeben." Inzwischen liegt das Buch, das mittlerweile in fast allen Krankenpflegeschulen als Standardwerk gilt und auch in der Aus-, Fort- und Weiterbildung seinen festen Platz hat, in der neunten Auflage vor. Zu der Neuauflage, die Hilde Steppe nicht mehr erlebte und bei der es sich im Wesentlichen um einen unveränderten Nachdruck der achten Auflage von 1996 handelt, hat Hilde Schädle-Deininger ein neues Vorwort geschrieben, in dem sie kurz die Verdienste von Hilde Steppe für die (Geschichte der) Krankenpflege würdigt. An dem Band beteiligten sich insgesamt rund ein Dutzend Autorinnen und Autoren, Krankenschwestern und Krankenpfleger, um die lange tabuisierte Geschichte ihrer Berufsgruppe im Dritten Reich aufzuarbeiten. Untermauert werden ihre Forschungen mit vielen Quellenmaterialien, Dokumenten und Analysen. Das Spektrum der einzelnen Beiträge ist breit gestreut. Es reicht von der Einbindung der Krankenpflege in das nationalsozialistische Gesundheitswesen über die Beteiligung an Massenmorden in psychiatrischen Kliniken bis hin zum Widerstand einzelner Pflegekräfte. Zudem kommen in mehreren Interviews Zeitzeuginnen selbst zu Wort. Ergänzt wird der Band durch eine ausführliche Zeittafel, zahlreiche Abbildungen, Tabellen und Fotos sowie eine umfassende Bibliographie der Sekundärliteratur.

Eine Bewertung der Neuauflage muss ambivalent ausfallen. Einerseits ist sie sicherlich zu begrüßen, da vergleichbare Arbeiten, auf die Lehrende wie Lernende oder einfach an ihrer Berufsgeschichte Interessierte zurückgreifen könnten, bislang fehlen. Andererseits ist zu bedauern, dass nach dem Tod von Hilde Steppe die nun für das Buch Verantwortlichen die entsprechenden Forschungsergebnisse der letzten fünf Jahre scheinbar nicht zur Kenntnis genommen beziehungsweise nicht in die neue Auflage eingearbeitet haben. Ob dies aus Bequemlichkeit oder Arroganz geschah, kann an dieser Stelle nicht beurteilt werden. In jedem Fall wurde aber die Chance vertan, der Leserschaft ein Buch zu präsentieren, das auch die neuesten Forschungsergebnisse zum Thema mit einbezieht. Freilich wird mit dieser Kritik nicht in Abrede gestellt, dass es sich bei dem Band nach wie vor um ein äußert wichtiges Werk zur jüngsten Geschichte der Krankenpflege handelt, dessen Inhalt in keinem Unterricht der Pflegeberufe fehlen sollte.

Ich hätte sie gerne noch vieles gefragt<br> Töchter und der Tod der Mutter (Rezension)

Ich hätte sie gerne noch vieles gefragt
Töchter und der Tod der Mutter (Strobl, Ingrid)

Verlag Wolfgang Krüger, Frankfurt, 2002, 3. Aufl., 272 S., 22,90 € - ISBN 3-8105-1920-0; S. Fischer, Frankfurt, 2004, 272 S. 9,90 € - ISBN 3-596-15431-6

Rezension von: Wiltraut Bauknecht

Kann die Auseinandersetzung mit diesem spezifischen Thema einer Leserin Erkenntnisse vermitteln, die sie sonst nicht erlangen kann? Ist es also für Töchter wichtig, dieses Buch zu lesen? Und ist es besser, dieses Wissen zu haben, bevor oder nachdem die eigene Mutter stirbt?

Für die Autorin war die eigene Erfahrung Anlass, sich allgemeiner mit diesem Thema zu be-schäftigen. Dazu interviewte sie 20 Frauen zwischen 43 und 79 Jahren. Beinahe alle hatten studiert, waren berufstätig und lebten in Großstädten - ob eine größere Zahl von Befragten und eine breitere soziologische Schichtung andere Ergebnisse ergeben hätte, muss offen blei-ben. Die vorliegende Veröffentlichung kann nicht den Anspruch einer repräsentativen Unter-suchung zu dem Thema erheben; es handelt sich vielmehr um eine sehr persönliche Ausei-nandersetzung der Autorin und ihrer Interviewpartnerinnen mit einer existenziellen Situation.

Die einleitende Zusammenstellung der Entwicklung der Mutter-Tochter-Beziehung, die ja auch Gegenstand feministischer und psychologischer Literatur der letzten Jahrzehnte war, zeigt auf, dass das Bündnis zwischen Müttern und Töchtern über Jahrhunderte funktionsfähig war. Erst mit der beginnenden Industrialisierung wurde das Verhältnis nach und nach schwie-riger und ist heute von einem hohen Grad an Ambivalenz geprägt, wobei von Kultur zu Kul-tur unterschiedlich ist: Amerikanische Mütter und Töchter gingen liebe- und verständnisvoller miteinander um.

Diesem kurzen - auch in seinen Begründungen nicht sehr tief gehenden zeitlichen Abriss folgt das interessante Kapitel über den Tod der Mutter in der Literatur. Wie die Beziehung zwi-schen erwachsenen Töchtern und Müttern ist dies ein selten behandeltes Thema. Der Bogen reicht von Else Lasker-Schüler über Verena Stefan und Luise Michel (eine Frauenrechtlerin) bis (natürlich) zu Virginia Woolf, Nelly Sachs und Simone de Beauvoir. In sehr dichter, kom-pakter Form wird vor Augen geführt, wie sehr Charakter, Zeit- und gesellschaftliche Bedin-gungen und Begabungen auch die Mutterbeziehung prägen und im Schaffen der Frauen ihren Niederschlag finden. Die portraitierten Frauen waren wortmächtig genug, diesen Erfahrungen einen angemessenen und gültigen Ausdruck zu verleihen. Berührend ist die Geschichte von Nelly Sachs, die im Exil in Schweden unter ärmlichsten Bedingungen symbiotisch mit der Mutter verbunden war und in Geschichten diese Beziehung immer neu umschrieb. Für alle gilt was eine Nichte von Virginia Woolf übereinstimmend mit dieser erklärte: "Es gibt ein weibliches Erbe, das jeweils die Mutter auf die Tochter überträgt, die es annehmen, aber nicht einfach ablehnen kann. Sie kann sich damit auseinander setzen und über sich selbst auch in den Kategorien dieser Erfahrung nachdenken."

Der sich anschließende Bericht der Autorin über den Tod ihrer Mutter belegt den Ausspruch der de Beauvoir, dass man existenziellen Situationen nicht rational beikommt und es auch nicht muss. Am ehesten kann ihnen mit Bezogenheit, Liebe und Achtung begegnet werden. Der Bericht ist eine Ermutigung, dies zu wagen.

Bei den nun folgenden Interviews liegt der Schwerpunkt auf einer thematischen Anordnung der Aussagen, wie Sterben, Tod und Abschied, Leiche und Begräbnis usw. Dies erschwert der Leserin aber die Orientierung und Teilnahme am individuellen Schicksal. Da die meisten Frauen zuerst mit ihrem Werdegang sehr persönlich vorgestellt werden und ihre Mütter auch in sehr unterschiedlichen Lebensphasen verloren haben (zwischen 10 und 60 Jahren), würde man die einzelnen Aussagen doch lieber vor diesem lebensgeschichtlichen Hintergrund bezo-gen lesen als fragmentiert zu den einzelnen Themen.

Bei aller individuellen Unterschiedlichkeit lässt sich auch Gemeinsames erkennen. Obwohl die Beziehung zwischen Müttern und Töchtern ein "emotionales Minenfeld" und höchst am-bivalent ist, ist bei beinahe Allen Rührung, Mitleid und Hoffnung auf Aussöhnung zu spüren. Die Nähe in der Sterbephase und beim Tod der Mutter zwingt die Töchter noch einmal in eine intensive Auseinandersetzung, an deren Ende oft steht, dass die Mutter nicht mehr nur als Mutter, sondern auch als Person wahrgenommen wird. Erst ein besseres Verständnis ihrer Entwicklung lässt einen versöhnlicheren Blick zu.

Das Buch führt vor Augen, dass der Blick auf die Mutter den Blick auf uns selbst als Frauen schärft; denn: "Das Verständnis für die Frau, die unsre Mutter war, kann uns zu einem neuen Verständnis unserer selbst führen." Diese Erkenntnis ist nicht umstürzend neu, könnte aber eine Ermunterung sein, wenn die Mutter noch lebt, mit ihr das Gespräch zu suchen. Töchter, die die Erfahrung des Todes der Mutter schon gemacht haben, werden sich in vielen Aussagen wieder- und darin aufgehoben finden - so wie auch im Titel des Buches: Ich hätte sie gerne noch vieles gefragt.

Interne Fortbildung in der Pflege<br> Schulungsunterlagen für Altenpflege, ambulante Pflege und Krankenhaus (Rezension)

Interne Fortbildung in der Pflege
Schulungsunterlagen für Altenpflege, ambulante Pflege und Krankenhaus (Sturm, Bärbel und Füg, Lydia (Hrsg.))

Spitta-Verlag, Balingen, 2002 (Loseblattsammlung), ca 260 S. + CD, 98,00 € - ISBN 3-934211-30-5

Rezension von: Paul-Werner Schreiner

Der Internen Fortbildung in den Einrichtungen des Gesundheitswesens wird offiziell eine sehr große Bedeutung beigemessen. In der Realität ist auch in diesem Bereich der Kostendruck, der die Arbeit in sozialen Einrichtungen seit Jahren zunehmend bestimmt, deutlich zu spüren. Noch am Ehesten hat die Innerbetriebliche Fortbildung eine Chance, wo sie der gesetzlich vorgeschriebenen Qualitätssicherung dient. Der mündige kritisch mitdenkende Mitarbeiter ist selten Ziel der Innerbetrieblichen Fortbildung.

Die Herausgeberinnen der vorliegenden Loseblattsammlung gehen nicht zu Unrecht davon aus, dass nicht immer im Unterrichten qualifizierte Kollegen/-innen mit der Gestaltung von Fortbildungsveranstaltungen betraut werden. Entsprechend ist das Werk so konzipiert, dass derjenige, der den Auftrag erhält, eine Fortbildung zu halten, mit einem nicht allzu großen Aufwand diesen vorbereiten kann.

Nach einer Einführung in der Aufbau des Werkes, Informationen zu den Herausgeberin-nen/Autoren/-innen ist das erste Kapitel zunächst der Organisation und Durchführung von Fortbildungsveranstaltungen gewidmet; dabei wird den Besonderheiten der Erwachsenenbildung große Aufmerksamkeit gewidmet. Das nächste Kapitel - Kommunikation - mehr als miteinander reden - ist sowohl noch eine wichtige Informationsquelle für die, die eine Veranstaltung vorbereiten sollen, als auch Thema einer Fortbildungsveranstaltung sein kann. Weitere Themen, die bis 2003 vorliegen sind:

  • Qualitätsmanagement - Grundlagen und Modelle
  • Zeitmanagement - vom Umgang mit der Zeit
  • Effektive Dekubitusprophylaxe - neuer Wissensstand
  • Abschied - Sterben - Tod - Persönliche Auseinandersetzung
  • Beobachten und Beschreiben - eine wichtige Schlüsselkompetenz
  • Diabetes mellitus - Risiken und Folgerkrankungen.
Die Kapitel sind jeweils so aufgebaut, dass nach einer inhaltlichen Einführung je nach Thema Folien, Abbildungen, Moderationskarten und Hand-outs angefügt sind. Auf diese Ergänzungen wird im Text durch Symbole hingewiesen; in den Ordnern sind die Ergänzungen durch Registerkarten leicht zu finden.

Die dem Werk beigefügte CD enthält eine Reihe von Formularen, u.a. Feed-Back-Bögen und eine Excel-Datei zur Auswertung.

Die aufwändig vorbereitete Loseblattsammlung sollte überall vorhanden sein, wo Innerbetriebliche Fortbildung angeboten wird bzw. werden soll; der zugegebenermaßen stolze Preis ist nicht unangemessen.

Eine kritische Anmerkung sei dem Rezensenten erlaubt: Es mag sinnvoll sein, weitgehend klar strukturierte Vorlagen für Fortbildungsveranstaltungen zu bestimmten Themen anzubieten. Derjenige aber, der mit der Durchführung der Veranstaltung betraut wird, sollte thematisch über die unmittelbar zu vermittelnden Inhalte Einblick in die Thematik haben - es gibt nichts Peinlicheres als Veranstaltungen, bei denen der Dozent auch nur geringfügig von dem Konzept abweichende Fragen nicht beantworten kann. Aus diesem Grund sollte das zur Vorbereitung herangezogene Material zumindest die Möglichkeit eröffnen, sich breiter zu informieren - und dies trifft vor allem das Literaturverzeichnis. Besonders wichtig ist dies bei Themen, die nicht so ganz klar zu strukturieren sind, wie z.B. "Sterben und Tod" oder "Zeit". Gerade bei solchen Themen kann man eine Vorbereitung nicht in drei bis vier Stunden bewältigen - und man muss sich intensiv beschäftigen, denn es kann einem durchaus passieren, dass die Veranstaltung einen ganz anderen Verlauf nimmt als geplant, da gerade bei diesen Themen in der Erwachsenenbildung der Dozent nicht der Experte ist, sondern nur Moderator sein kann. Die entsprechenden Kapitel sollten überarbeitet werden; und für ähnlich geartete Kapitel sollte dies im Vorfeld bedacht werden.