Grundwissen Psychologie, Soziologie, Pädagogik<br> Lehrbuch für Krankenpflegeberufe (Rezension)

Grundwissen Psychologie, Soziologie, Pädagogik
Lehrbuch für Krankenpflegeberufe (Kulbe, Anette)

Kohlhammer Verlag Stuttgart C 2001 232 Seiten, 24 Abbildungen 18,30 €

Rezension von: Dr. Eva Niklaus
Krankenschwester und Dipl. Pädagogin

Nach der Zeit eines größeren Vakuums ist in den letzten Jahren eine kleine Anzahl von Lehrbüchern für den Psychologie-, Pädagogik- und Soziologie-Unterricht an Pflegeschulen neu herausgegeben worden. Anette Kulbes Buch ist eines davon. Es richtet sich, so die Autorin sowohl an Pflegekräfte, die über Berufserfahrung verfügen, als auch an Pflegeschüler/innen in der Zeit ihrer Grundausbildung und in der Phase des Berufseinstieges. Entsprechend breit gestreut sind die Themen:
  • Gesundheit und Krankheit,
  • der Patient und seine Erlebens- und Sichtweise,
  • psychologische Grundlagen menschlichen Verhaltens,
  • Motive und Bedürfnisse,
  • Wahrnehmungspsychologie usw.
Einen großen Raum nimmt das Thema der Kommunikation und Gesprächsführung ein. Als Inhalte der Sozialpsychologie und Soziologie werden die Rollen-Theorie, die Gruppe in ihrer Funktion und Bedeutung und der Aspekt des Führens und Leitens von Gruppen vorgestellt. Erziehung - als pädagogisches Handwerkszeug - wird ausdifferenziert in die Erziehungsbedürftigkeit des Menschen, Erziehungsziele und Überlegungen zum Thema Erziehen in der Pflege. Die letzten zwei Kapitel befassen sich mit Streß und Streßbewältigung im Allgemeinen und mit besonderen Belastungssituationen im Pflegeberuf der inneren Kündigung, der Helferpersönlichkeit, dem Burnout Syndrom und dem Extremfall des Mobbing.

Das Buch besticht in seiner Klarheit der Gliederung und Darstellung von Wissen. Interessierte Leser/innen können sich dank der Randbemerkungen und einem guten Sichtwortverzeichnis schnell zurechtfinden. Wichtige Definitionen und Zusammenfassungen sind eingerahmt und weisen darauf hin: dies sollte behalten und beachtet werden. Sie lassen den Lehrbuchcharakter dieser Veröffentlichung erkennen.

Diese Klarheit in der Darstellung wäre auch in der genaueren Auswahl der Zielgruppe dieses Buches wünschenswert gewesen. Die Grundausbildung in der Pflege erfordert mehr konkrete Themen, z.B. Lerntheorien, Entwicklungspsychologie (Gefahr des Hospitalismus, lebenslanges Lernen an Lebensthemen und Lebenskrisen, Grenzerfahrung des Todes) oder, aus der Organisations-Soziologie, der Hinweis auf die Zielkonflikte innerhalb jeder Institution. Eine zielgruppengerechtere Auswahl von Themen, die näher an den Auszubildenden und in ihrer Berufseinsteiger-Situation sind, wären dann möglich gewesen. Es geht ja im Unterricht auch darum, das Interesse und die Neugier für pädagogisch/psychologische. Fragestellungen zu wecken. Ist diese Initialzündung einmal passiert, greifen die Schüler/innen später von selbst zu weiterführender und differenzierterer Literatur zu den Fragen, die sich möglicherweise dann erst in ihrer Berufspraxis ergeben (Leitung von Gruppen, Burnout- und Mobbing-Problematik usw.). Daß die Autorin dies im Blick hat, zeigt die anregende Liste mit Buchtips zum Weiterlesen.

Unklar bleibt auch das Verständnis vom Begriff "Erziehung". Einerseits ist von Erziehungszielen die Rede wie Mündigkeit, Selbstständigkeit und Selbstverantwortung. Das sind zentrale Ziele auch in der Pflege und richtig benannt. Dann aber lassen Sätze wie "Krankenschwestern und Krankenpfleger (...) erziehen Pflegeschüler und Patienten" oder die Überschrift ".... Patienten sind wie Kinder - Zur Erziehungsbedürftigkeit und Erziehungsfähigkeit des Patienten" stutzig werden. Wo bleibt hier die Achtung vor der Selbstbestimmung, Selbstverantwortung der Patienten und die Notwendigkeit der Selbsterziehung bei Erwachsenen? Im gleichen Satz und an vielen anderen Stellen ist mit Anleiten, Informieren, Instruieren, Aufklären usw. viel besser ausgedrückt, was pädagogisches und pflegerisches Handeln ausmacht und wie eine Annäherung zu den genannten Zielen erreicht werden kann. In einer Neuausgabe sollte diese Unklarheit unbedingt beseitigt werden.

Kann dieses Lehrbuch von A. Kulbe empfohlen werden?

  • Ja: drei bis vier Ausgaben davon in jede Schülerbibliothek zu den anderen Psychologie/Pädagogik Lehrbüchern. Gleiche Themen können von Schüler/-innen herausgearbeitet und verglichen werden. Das läßt Unterschiede erkennen, provoziert zu Fragen nach dem Warum und fordert eigene Erfahrungen und Meinungen heraus.
  • Nein: als das alleinige ausbildungsbegleitende Lehrbuch im Psychologie/Pädagogik und Soziologie Unterricht. Da ist es besser, die Schüler/innen stellen sich mit ihren Arbeitsergebnissen, Referaten, Arbeitsblättern, aktuellen Zeitungsartikeln, mit Karikaturen und Schaubildern selbst ein Lehr- und Lernbuch zusammen. Das hier vorgestellte Lehrbuch kann dazu viele gute Anregungen geben.