Erwin Böhm. Gesammelte Lebenslügen. (Rezension)

Erwin Böhm. Gesammelte Lebenslügen. (Hausemer, Georg )

Mabuse-Verlag, Frankfurt/Main, 2004, 122 S., 16 S. Bildteil, 17,80 €, ISBN 3-935964-49-8

Rezension von: Sven Lind

Die vorliegende Veröffentlichung ist der Versuch eines Schriftstellers und Journalisten, ein Bild von Erwin Böhm in seinem Werdegang, seinem Denken und auch seinen Handlungen mitsamt ihren Auswirkungen auf die Praxis zu gestalten.

Es werden u. a. die üblichen Stationen des Lebensweges wie Kindheit, Jugend und Ausbildung beschrieben, die bei Erwin Böhm mit Rastlosigkeit und Dynamik verbunden sind. Nach einer Automechaniker-Lehre beginnt er (1940 in Wien geboren) eine Ausbildung als Krankenpfleger (1963 Examen), 1970 wird er Unterrichtspfleger und 1974 Oberpfleger im psychiatrischen Krankenhaus Wien. Zu Beginn der 80er Jahre entwickelt er im Rahmen der Enthospitalisierung psychisch chronisch kranker Patienten Strategien der Reintegration in Privathaushalte, die als „Übergangspflege“ in die Pflegetheorie eingehen. Parallel hierzu schafft er in der Einrichtung räumliche Milieustrukturen hinsichtlich des Interieurs (Möblierung, Armaturen der Wasserhähne u. a.), die strikt lebensgeschichtliche Elemente der Patienten berücksichtigen. Durch seine zahlreichen Publikationen (u. a. „Verwirrt nicht die Verwirrten“) gelangten diese Impulse auch nach Deutschland, wo sie besonders in der Milieugestaltung für Demenzkranke in den Altenheimen Berücksichtigung fanden. In der Folgezeit befasst sich Erwin Böhm mit mehr theoretischen Themenstellungen, die später in sein „Psychobiografisches Pflegemodell nach Böhm“ zusammengefasst werden (1999 im Verlag Wilhelm Maudrich veröffentlicht). Böhm widmet sich in dieser Zeit verstärkt der Ausbildung der Pflegekräfte nach seinem Konzept, wobei er zu diesem Zweck einen eigenen Fortbildungsverein gründet, in dem im Laufe der Zeit viele „Böhmianer“ ausgebildet werden. Hinzu kommt eine intensive Referententätigkeit im In- und Ausland auf Tagungen, Kongressen u. Ä.

Liest man diese Biografie ideengeschichtlich, so lässt sich eine tragische Komponente dergestalt erkennen, dass ein ursprünglich innovativer und praxisorientierter Ansatz in wenigen Jahren zu einer Dogmatik ohne jedwede empirische Fundierung erstarrt, denn das „Böhm’sche Pflegemodell“ kann weder den Standards eines Praxisbezuges noch einer Wissenschaftsbezogenheit genügen. Es kann das Fazit gezogen werden, dass ein leicht zu lesendes Buch vorliegt, das sehr anschaulich einen beruflichen Lebensweg mit allen Irrungen und Wirrungen nachzuzeichnen vermag.