
Müller, Gerhard et al. (Hrsg.)
Inkontinenzassoziierte Dermatitis
Grundlagen - Assessment – Interventionen
(Schriftenreihe Pflegewissenschaft - UMIT Hall in Tirol, Linz, Wien)
Facultas, Wien, 2016, 180 S., 24,90 €, ISBN 978-3-7089-1391-9
Inkontinenzassoziierte Dermatitis
Grundlagen - Assessment – Interventionen
(Schriftenreihe Pflegewissenschaft - UMIT Hall in Tirol, Linz, Wien)
Facultas, Wien, 2016, 180 S., 24,90 €, ISBN 978-3-7089-1391-9
Ist die sichtbare Hautveränderung in der Gesäßregion nun ein Dekubitus oder eine Inkontinenz-assoziierte Dermatitis = IAD? Diese Frage tritt vor allem in Einrichtungen auf, in denen solche Phänomene kaum vorkommen. Eigentlich ist eine Antwort durch eine grob orientierende Ersteinschätzung einfach: Ist die betroffene Region einem erhöhten Druck und / oder Scherkräften ausgesetzt und liegt eine gleichmäßige Rötung vor, dann besteht ein Dekubitus. Ist die Region aber Feuchtigkeit ausgesetzt - in Verbindung mit Reibung - und besteht eine ungleichmäßige Rötung, so ist eine IAD zu vermuten.
So zutreffend diese Unterscheidung auch sein mag, so ungenügend ist sie heute aus der Sicht der Pflegewissenschaft. Gerhard Müller, Alfred Steininger, Petra Schumacher und Margareta Jukic-Puntigam sind Herausgeber und u.a. Autoren des im Mai 2016 erschienenen Bandes.
Dieser Band enthält im Kapitel I - zwei Beiträge zu den Grundlagen der IAD und im Kapitel II - acht ausgewählte Forschungsbeiträge zur IAD. Interessant und als besonderer Leserservice zu betrachten ist die inhaltliche Struktur des Bandes: Geleitwort und Vorwort folgen sieben Kurzfassungen der deutschsprachigen Beiträge. Der Leser kann bereits hier eine erste Entscheidung treffen, mit welchem Text er sich befassen will. Da es sich um ein wissenschaftliches Werk handelt, das sich vorwiegend an (Pflege-)Wissenschaftler richtet, ist es auch nicht erforderlich, mit diesem Band wie mit einem klassischen Lehrbuch zu verfahren, obwohl die einzelnen Arbeiten bei genauer Betrachtung aufeinander aufbauen.
So beschreiben Steininger et al. unter dem Titel „Bekanntes zum Unbekannten: Der Weg vom Windelausschlag zur Inkontinenz-assoziierten Dermatitis“ ausführlich Wissenswertes zur Haut und Hautalterung sowie zur Inkontinenz, und erläutern im Folgekapitel die hinter den Kürzeln IAD und ITD sowie MASD stehenden Begriffe. Danach entwickelt sich die IAD auf der Grundlage mehrerer und schädigender Faktoren, die ein multifaktorielles Geschehen ist. Sie erscheint als Erythem und Ödem der perinealen und perigenitalen Hautoberfläche, mitunter begleitet von Blasenbildung mit serösem Exsudat, Erosion oder kutanen Sekundärinfektionen.
Die ITD = intertriginöse Dermatitis ist in Gesäßfalte und Leistenbeuge lokalisiert und betrifft zumindest zu Beginn nur oberflächliches Gewebe. Die Wundränder erscheinen als lineare Verletzung der Haut und die Hautumgebung ist regelmäßig mazeriert.Die MASD = Moisture associated skin damage (= feuchtigkeitsbedingter Hautschaden) tritt überwiegend in der Umgebung von Stomata auf.
Und obwohl die Autoren Assessment-Tools durchaus kritisch sehen, beschreiben und erläutern sie deren Einsatz als Aufforderung zur differenzierten Einschätzung von Risiken. Es gibt nun mal Patienten, bei denen sich das Risiko aufgrund der Gesamtsituation eben nicht realisieren wird. Bei diesen Personen muss die zeitaufwändige Prozedur nicht durchgeführt werden. Darauf wies Barbara Braden schon vor vielen Jahren hin. Sie wehrte sich gegen die unreflektierte Einführung ihrer Skala in den Einrichtungen. Und auf die Reflektion bei der Einführung von Assessment-Tools kommt es den Autoren dieses Bandes an. Ein Zweck dieser Arbeitsinstrumente ist doch, den sog. „klinischen Blick“ auch bei Pflegefachkräften zu schärfen, damit sie erkennen, ob eine Maßnahme sinnvoll ist oder nicht.
Die drei voraufgeführten Beispiele zeigen die Notwendigkeit einer differenzierten Beschreibung von Hauterscheinungen. Bereits die Lokalisation gibt einen Hinweis auf die zugrundeliegende Ursache und damit auf das pflegerische und therapeutische Regime. Es gilt aber auch genau hinzusehen, ob und wo sich welches Risiko realisieren könnte. Hier ist die Aufgabe der Führungskräfte bzw. der von ihnen beauftragten Mitarbeiter in den Einrichtungen, anhand der Arbeiten von Müller, Steininger et al. die Kollegen in den Einrichtungen im Umgang mit den Assessment-Tools zu schulen. Hilfreiches Material haben sie in dem vorliegenden Buch zur Genüge.
Eine Rezension von Heidi Heinold