Schaeffer, Doris und Klaus Wingenfeld (Hrsg.)
Handbuch Pflegewissenschaft. Studienausgabe
Beltz Juventa Verlag. Weinheim, Basel2014, 766 S., 49,95 €, ISBN 978-3-7799-3123-2
„Pflegewissenschaft“, so kann man bei „Wikipedia“ lesen, ist die wissenschaftliche Rahmenbezeichnung für anwendungsorientierte Fachrichtungen (Praxisdisziplinen) der Gesundheits- und Kranken-, Kinderkranken-, Alten- und Heilerziehungspflege. Den Sozialwissenschaften zugeordnet und umfasst sie die Bereiche Pflegetheorie und Pflegeforschung, wobei die Medizin, Gesundheitswissenschaft, Soziologie, Psychologie, Biologie, Philosophie und Geschichte ihre Bezugswissenschaften sind.
Nach „Meyers Lexikon“, hier zitiert nach der Internetplattform „PflegeWiki“, verfolgt die Pflegewissenschaft das Ziel, „das umfangreiche Erfahrungswissen der Pflegenden begrifflich zu fassen, zu systematisieren, Konzepte und Theorien zu entwickeln und damit zur wissenschaftlichen Fundierung, zum Erhalt und zur Erweiterung pflegerischen Wissens beizutragen“.
Alles klar? Wer sich ein umfassendes Bild über ein Thema machen möchte, dem sei der Griff zu einem entsprechenden Handbuch empfohlen. Für die vergleichsweise noch recht junge Disziplin der Pflegewissenschaft erschien ein solches Werk (herausgegeben von Beate Rennen-Allhoff und Doris Schaeffer) erstmals im Jahre 2000, dem 2011 eine Neuausgabe folgte. Der betreffende Band liegt nun (2014) erstmals als Studienausgabe vor.
Das „Handbuch Pflegewissenschaft“ wird von Doris Schaeffer und Klaus Wingenfeld herausgegeben.
Dr. phil. Doris Schaeffer ist Professorin für Versorgungsforschung / Pflegewissenschaft an der Fakultät für Gesundheitswissenschaften der Universität Bielefeld. Neben ihrer Funktion als Direktorin des Instituts für Pflegewissenschaft (IPW) ist sie Sprecherin des NRW-Pflegeforschungsverbunds „Patientenorientierte Pflegekonzepte zur Bewältigung chronischer Krankheit“. Bevor sie an die Universität Bielefeld kam, war sie lange Jahre am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) in der Arbeitsgruppe „Public Health“ und an der FU-Berlin, unter anderem im Institut für Soziale Medizin tätig. Ihre wichtigsten Arbeitsgebiete sind die Gesundheitsforschung mit den Schwerpunkten Bewältigung chronischer Krankheiten und Gesundheitsprobleme und -erhaltung im Alter, die Versorgungsforschung mit den Schwerpunkten patienten- und nutzorientierte Versorgung, Versorgungsnutzung sowie Versorgung Schwerkranker und Pflegebedürftiger und die Pflegeforschung, in der sie sich neben Fragen der Theorie- und Methodenentwicklung insbesondere der Erschließung und wissenschaftlichen Fundierung neuer Aufgabenfelder für die Pflege widmet, wie beispielsweise Case Management, Patientenberatung oder Selbstmanagementunterstützung. Zu diesen Themen hat sie auch eine Vielzahl von Büchern, Buch- und Zeitschriftenbeiträge publiziert.
Dr. Klaus Wingenfeld ist wissenschaftlicher Geschäftsführer des Instituts für Pflegewissenschaft an der Universität Bielefeld (IPW), Fakultät für Gesundheitswissenschaften. Nach dem Studium der Soziologie an der Universität Münster promovierte er 2004 an der Bielefelder Fakultät für Gesundheitswissenschaften. Bevor er zum IPW kam, war er Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Medizinische Soziologie der Universität Münster, am Institut für System- und Technologie-Analysen Bad Oeynhausen und im (eigenen) Institut für angewandte Gesundheitswissenschaften in Detmold. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Entlassungsmanagement im Krankenhaus, Assessmentinstrumente, Pflege psychisch kranker alter Menschen und Qualitätsentwicklung in stationären Pflegeeinrichtungen. Neben der Betreuung diverser Projekte hat er zu den besagten Themen eine Reihe von Publikationen veröffentlicht.
Die knapp 50 AutorInnen, die an dem vorliegenden Handbuch mitgewirkt haben, im Einzelnen näher vorzustellen, würden den vorliegenden Rahmen sprengen. Hier möge der knappe Hinweis genügen, dass es sich durchweg um ausgewiesene WissenschaftlerInnen unterschiedlicher Wissensgebiete handelt, die überwiegend aus Deutschland, in Einzelfällen aber auch aus Kanada und den USA stammen. Für nähere Angaben sei auf das entsprechende Verzeichnis am Ende des Buches (S. 763-766) verwiesen.
Nach dem einleitenden Beitrag der Herausgeber/innen „Entwicklung von Pflegewissenschaft in Deutschland“ (S. 9-15) gliedert sich das Handbuch, das durch ein „Sachregister“ (S. 759-762) erschlossen wird, übersichtlich in sieben Teile, die insgesamt 36 Kapitel beziehungsweise Beiträge vereinen:
Teil I: Theoretische Grundlagen
- Claudia Bischoff-Wanner: Pflege im historischen Vergleich (S. 19-36)
- Martin Moers und Doris Schaeffer: Pflegetheorien (S. 37-66)
- Sabine Bartholomeyczik: Pflegeforschung: Entwicklung, Themenstellungen und Perspektiven (S. 67-94)
Teil II: Methodische Grundlagen
- Ingolf von Törne, Bernd Günther und Peter Potthoff: Quantitative Erhebungsverfahren in der Pflegeforschung (S. 97-116)
- Juliet Corbin und Bruno Hildenbrand: Qualitative Forschung (S. 117-136)
- Gabriele Meyer: Klinische Pflegeforschung: Relevanz und Standortbestimmung (S. 137-150)
- Johann Behrens: Evidence based Nursing (S. 151-163)
- Ingrid Darmann-Finck und Thomas Foth: Bildungs-, Qualifikations- und Sozialisationsforschung in der Pflege (S. 165-182)
Teil III: Gesellschaftliche Rahmenbedingungen
- Adelheid Kuhlmey und Stefan Blüher: Demografische Entwicklung in Deutschland – Konsequenzen für Pflegebedürftigkeit und pflegerische Versorgung (S. 185-198)
- Gerhard Naegele und Gerhard Bäcker: Pflegebedürftigkeit aus sozialpolitischer Sicht (S. 199-228)
- Michael Simon: Gesundheitspolitische und ökonomische Rahmenbedingungen der Pflege (S. 229-247)
- Thomas Klie: Rechtliche Rahmenbedingungen: Auf dem Weg zum Pflegerecht (S. 249-260)
Teil IV: Pflege in unterschiedlichen Lebensphasen und von unterschiedlichen Zielgruppen
- Klaus Wingenfeld: Pflegebedürftigkeit, Pflegebedarf und pflegerische Leistungen (S. 263-290)
- Friederike zu Sayn-Wittgenstein: Geburtshilfe durch Hebammen (S. 291-309)
- Christina Köhlen: Pflegebedürftige Kinder und Jugendliche – Aufgaben der Pflege (S. 311-327)
- Doris Schaeffer und Martin Moers: Bewältigung chronischer Krankheiten – Herausforderungen für die Pflege (S. 329-363)
- Susanne Schoppmann und Holger Schmitte: Pflege bei psychischen Störungen (S. 365-383)
- Christa Büker: Pflege von Menschen mit Behinderungen (S. 385-404)
- Vjenka Garms-Homolová: Pflege im Alter (S. 405-427)
- Patrick Brzoska und Oliver Razum: Migration und Pflege (S. 429-445)
- Uwe Flick und Gundula Röhnsch: Vulnerable Bevölkerungsgruppen (S. 447-467)
- Andreas Büscher und Wilfried Schnepp: Die Bedeutung von Familien in der pflegerischen Versorgung (S. 469-487)
Teil V: Pflegerische Versorgung in unterschiedlichen Settings
- Andreas Büscher: Ambulante Pflege (S. 491-512)
- Sabine Bartholomeyczik: Pflege im Krankenhaus (S. 513-530)
- Christine Sowinski und Gergana Ivanova: Stationäre Langzeitpflege (S. 531-542)
- Elke Hotze und Christoph Winter: Pflege in der Rehabilitation (S. 543-560)
- Michael Ewers: Pflege und Versorgung am Ende des Lebens (S. 561-577)
Teil VI: Steuerung der pflegerischen Versorgung
- Stefan Görres und Karl Reif: Neue Steuerungsaufgaben in der Pflege (S. 581-598)
- Max Geraedts und Hans-Konrad Selbmann: Konzepte des Qualitätsmanagements (S. 599-615)
- Doris Schiemann und Martin Moers: Qualitätsentwicklung und -standards in der Pflege (S. 617-642)
- Michael Ewers: Case Management und andere Steuerungsaufgaben der Pflege (S. 643-660)
- Adelheid Kuhlmey, Karin Höppner und Doris Schaeffer: Neue Aufgabenzuschnitte, Arbeitsteilungen und Kooperationsformen (S. 661-679)
Teil VII: Neue Aufgaben der Pflege
- Klaus Wingenfeld: Pflegerisches Entlassungsmanagement (S. 683-703)
- Gabriele Müller-Mundt: Patientenedukation als Aufgabe der Pflege (S. 705-726)
- Klaus Hurrelmann und Annett Horn: Das komplementäre Verhältnis von Gesundheitsförderung und Pflege (S. 727-743)
- Afaf Meleis: Globale Herausforderungen in der Pflege – ein Ausblick (S. 745-755).
In ihrem einleitenden Beitrag skizzieren Doris Schaeffer und Klaus Wingenfeld anschaulich die „Entwicklung von Pflegewissenschaft in Deutschland“. Während es gelungen sei, den Nachholbedarf auf dem Gebiet der „klinischen Pflegeforschung“ anzugehen und damit eine für die Evidenzbasierung der Pflege unverzichtbare Forschungstradition aufzubauen, sei die Pflegeforschung in anderen Bereichen erst rudimentär entwickelt. Hingewiesen wird hierbei auf Defizite der „pflegerischen Versorgungsforschung“, der „Pflegesystemforschung“ und der „patientenorientierten Pflegeforschung“.
Der Band eröffnet mit einem Überblick über theoretische und methodische Grundlagen (Teil I und II) sowie Beiträge zu den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, die die Entwicklung der Pflege prägen (Teil III). Es folgen Beiträge, die sich mit den Bedarfslagen und der Versorgung verschiedener Personengruppen und mit der Pflege in besonderen Lebenssituationen befassen (Teil IV). Die Pflege in wichtigen Versorgungssettings steht im Mittelpunkt des V. Teils. Die Beiträge der letzten beiden Teile (VI und VII) greifen Handlungsfelder auf, in denen sich wichtige Neuorientierungen ankündigen, vor allem solche, die durch eine besondere Steuerungs- und Koordinationsverantwortung gekennzeichnet sind oder thematisieren neue Aufgaben der Pflege.
Inhaltlich näher vorgestellt sei hier lediglich der abschließende Beitrag von Afaf Meleis „Globale Herausforderungen in der Pflege – ein Ausblick“, in dem die Autorin vor dem Hintergrund des sich zuspitzenden Pflegenotstands und der weltweit um sich greifenden demografischen Alterung beziehungsweise des dadurch bedingten Versorgungsbedarfs einige der sich stellenden Herausforderungen diskutiert. Nach Ansicht der Autorin, Professorin für Pflegewissenschaft an der University of California (San Francisco), benötigen wir angesichts der weltweiten Veränderungen der Bevölkerungsentwicklung, der Zunahme und Vereinfachung räumlicher und geografischer Mobilität und des Drangs nach Migration und Immigration zunächst Studienprogramme, die Studierende auf ihre „Rolle als Weltbürger“ vorbereiten. Um eine qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung zu ermöglichen, die zugleich kulturelle, biologische, genetische und soziale Sensibilität beziehungsweise Kompetenz aufweist, sei es „erforderlich, Wissenschaftler auszubilden, die globale Paradigmen vertreten und bestrebt sind, Wissen zu generieren, das über die Grenzen von Ländern, Kulturen, sozialen Klassen / Schichten und genetischen Kompositionen hinweg reicht“ (S. 746).
Pflegewissenschaftler/innen müssten künftig einerseits interdisziplinär orientiert sein und andererseits eine klare pflege(-wissenschaftliche) Identität aufweisen. Hierzu sei es erforderlich, sich den monodisziplinären Problemen zu widmen und die Weiterentwicklung der Pflegewissenschaft voranzutreiben: „Denn Interdisziplinarität setzt eine klare monodisziplinäre Identität und eine ebensolche professionelle Orientierung voraus. Das gilt auch für die Pflegewissenschaft. Sie ist ohne starke monodisziplinäre Identität unmöglich“ (S. 748).
Ein weiter Punkt, auf den Afaf Meleis aufmerksam macht, ist der „genderspezifische Zugriff“. Danach werden im Gesundheitssystem immer mehr Aufgaben, die zuvor professionell erbracht wurden, in die Familie gelagert, genauer: auf Frauen übertragen, nicht zuletzt, weil dies kostengünstiger ist. Allerdings würde durch die Substitution professioneller, bezahlter Leistungen durch informelle, unentgeltliche Leistungen auch die Arbeit derjenigen entwertet, die diese Aufgaben gegen Bezahlung leisten. „Patienten leben in der Familie und werden in erster Linie dort versorgt – wir sollten dafür sorgen, dass sie dort die notwendige Versorgung erhalten und diese Arbeit nicht minderbewertet wird. Egal, ob diese Arbeit professionell oder informell erbracht wird, sie muss angemessen entlohnt werden und benötigt Unterstützung, Evidenz und Ausbildung“ (S. 750).
Unter der Überschrift „Innovative Ressourcenvielfalt“ setzt sich die Autorin auch mit den revolutionären Veränderungen unserer Kommunikation auseinander. Angesichts der technischen Neuerungen müssten künftige Ausbildungen und Studienprogramme auch „skills in Simulationstechnik und Informatik“ enthalten, um die nächsten Generationen auf technisch versierte und fachlich kompetente Klienten und Patienten vorzubereiten, die bestens über gesundheitliche Probleme und evidenzbasierte Behandlungsoptionen informiert sind. Künftige WissenschaftlerInnen müssten daher kritisch denken, klug mit moderner Technik umgehen und wissen, wie sie die rasch verfügbaren Mengen an Daten, Informationen und Wissen strukturieren und unterscheiden können. Ein weitaus anspruchsvolleres Ziel bestehe unterdessen darin, „Wissenschaftler auf eine Art von Forschung vorzubereiten, in der der Einfluss von Technik, elektronischen Krankenakten, Informationssystemen und Computerisierung auf die Gesundheit, auf die Ressourcen und Fähigkeiten, auf den Aufbau von Organisationen und auf die Ermöglichung einer Gesundheitsversorgung, die auf Maximen sozialer Gerechtigkeit beruht, beachtet wird“ (S. 752).
Nach Ansicht von Afaf Meleis ist die Wissenschaftsentwicklung in der Pflege unter anderem davon abhängig, wieweit es gelingt, „die klinische Praxis evidenzbasiert weiterzuentwickeln, und natürlich auch, wieweit die pflegewissenschaftliche Theorie- und Forschungsentwicklung forciert werden kann“ (S 752). Deshalb müssten Pflegewissenschaftler/innen künftig theoretisch und praktisch so ausgebildet werden, dass sie eigene Forschungsprogramme entwickeln und ebenso, dass sie Berufskarrieren einschlagen können, die inspirierend auf die Pflegewissenschaft zurückwirken. „Investitionen in Pflegewissenschaftler (vor allem in Nachwuchswissenschaftler) sind Investitionen in die Zukunft der Pflege und Ermöglichung einer qualitativ hochwertigen Versorgung“ (S. 752).
Die Globalisierung, so die Autorin, könne freilich nur dann zur Erweiterung pflegewissenschaftlichen Wissens beitragen, wenn Pflegewissenschaftler und -praktiker ihre Arbeit an „kohärenten Rahmenkonzepten“ orientieren. Die entscheidende Herausforderung bestehe „in einer globalen Kooperation darin, einerseits innerhalb der Grenzen gemeinsamer Werte und einer gemeinsamen (pflege-)wissenschaftlichen Zielvision zu bleiben und andererseits offen für kulturbedingte Unterschiede der Normen, Überzeugungen und Strukturen der Versorgung zu sein“ (S. 754).
Pflege und Pflegewissenschaft haben seit dem Erscheinen der ersten Auflage des vorliegenden „Handbuchs“ im Jahre 2000 eine dynamische Entwicklung durchlaufen, die durch den voranschreitenden demografischen und epidemiologischen Wandel, durch den sich in allen Bereichen des Gesundheitswesens die Anforderungen und Aufgaben verändert haben, stark befördert wurde. So haben in der Pflege der letzten Jahre beispielsweise Aufgaben der Versorgungsgestaltung und -steuerung an Bedeutung gewonnen, ebenso wie edukative und beratende Aufgaben, während Gesundheitsförderung, Prävention und Rehabilitation einen hohen Stellenwert einnehmen und infolge des technologischen Fortschritts vielfältige neue Optionen entstanden sind. Um ihnen angemessen zu entsprechen, sind neue wissenschaftlich fundierte Konzepte gefordert, die zugleich die Evidenzbasierung pflegerischen Handelns befördern. Hierzu beizutragen, ist das Ziel von Pflegewissenschaft, die vor inzwischen zwei Jahrzehnten auch in Deutschland an Fachhochschulen und Universitäten etablieren konnte.
Mit dem von ihnen herausgegebenen „Handbuch Pflegewissenschaft“ möchten Doris Schaeffer und Klaus Wingenfeld den erreichten Entwicklungsfortschritt der Pflegewissenschaft aufzeigen und zugleich vorantreiben. Ihre Veröffentlichung verstehen sie als ein „Übersichtswerk“ für Studierende wie Lehrende, aber auch ForscherInnen und MitarbeiterInnen verschiedener Institutionen, in dem die zentralen Themen und Entwicklungen des Fachgebiets komprimiert dargestellt werden.
An dem bewährten Aufbau des Handbuchs wurde weitgehend festgehalten. Während die Ausgabe von 2000 einen Umfang von 885 Seiten hat, umfasst die Neuausgabe (2011) und die Studienausgabe (2014) lediglich noch 766 Seiten. Dabei sind einige Beiträge weggefallen, darunter die Darstellungen von Beate Rennen-Allhoff „Qualifikatorische Rahmenbedingungen: Berufliche Bildung in der Pflege“ und Hartmut Remmers „Ethische Aspekte der Pflege“, ebenso wie die drei Beiträge im früheren siebten Teil „Ergebnisse der Pflegeforschung“. Warum das Thema „Ethische Aspekte der Pflege“ – das wichtige Stichwort „Ethik“ wird man im „Sachregister“ vergebens suchen – nicht mehr aufgenommen wurde, ist nicht nachvollziehbar. Bedauerlich ist auch, dass bei der Neuausgabe das „Personenverzeichnis“ gestrichen wurde.
Gleichzeitig kamen viele neue Beiträge hinzu, insbesondere zu den methodischen Grundlagen (z. B. „Quantitative Erhebungsverfahren in der Pflegeforschung“, „Klinische Pflegeforschung“, „Evidence based Nursing“), den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen der Pflege (z. B. „Demographische Entwicklung in Deutschland“), zur Pflege in unterschiedlichen Lebensphasen und von unterschiedlichen Zielgruppen (z. B. „Migration und Pflege“, „Vulnerable Bevölkerungsgruppen“), der pflegerischen Versorgung in unterschiedlichen Settings (z. B. „Pflege im Krankenhaus“, „Pflege in der Rehabilitation“, „Pflege und Versorgung am Ende des Lebens“), der Steuerung der pflegerischen Versorgung (z. B. „Neue Steuerungsaufgaben in der Pflege“, „Case Management und andere Steuerungsaufgaben der Pflege“) sowie neue Aufgaben der Pflege (z. B. „Pflegerisches Entlassungsmanagement“, „Patientenedukation als Aufgabe der Pflege“).
In ihrem einleitenden Beitrag über die „Entwicklung von Pflegewissenschaft in Deutschland“. weisen, wie bereits erwähnt, die Herausgeber auf Defizite der „pflegerischen Versorgungsforschung“, der „Pflegesystemforschung“ und der „patientenorientierten Pflegeforschung“ hin. In dieser Aufzählung sucht man den Hinweis auf die historische Pflegeforschung vergebens; dies ist um so schmerzlicher, als seit der Jahrtausendwende bereits nahezu 50 Pflegestudiengänge, in der Regel mit mehreren Professuren versehen, existierten, es bis heute aber (immer noch) keinen einzigen Lehrstuhl für die Geschichte der Krankenpflege gibt. Dabei wäre die (weitere) Aufarbeitung der eigenen Berufsgeschichte nicht nur im Hinblick auf ethische Fragestellungen wichtig.
Sieht man von diesem Kritikpunkt einmal ab, wird das Handbuch seinem selbst gestellten Anspruch gerecht. Es bietet nicht nur tiefe Einblicke in die Breite des nationalen und internationalen pflegewissenschaftlichen Diskurses, sondern stellt auch vertiefend einzelne Themenkomplexe vor, die für die Entwicklung von Pflegewissenschaft und -praxis besonders wichtig sind. Wer sich mit einem Thema weitergehend beschäftigen wollte, findet am Ende von jedem Beitrag umfangreiche Literaturhinweise. Insofern ist das „Handbuch Pflegewissenschaft“ ein ideales Nachschlagewerk für alle, die sich über den Stand der Pflegewissenschaft in Deutschland (bis zum Jahr 2011) informieren wollen.
Mit der nun (2014) erfolgten Veröffentlichung des Handbuchs als Studienausgabe, bei dem es sich um einen Nachdruck ohne jegliche Veränderungen beziehungsweise Aktualisierungen handelt, ist laut Coverangaben intendiert, den erreichten Entwicklungsfortschritt der Pflegewissenschaft aufzuzeigen und zugleich voranzutreiben. Studierende wie Lehrende, aber auch Forscher und Mitarbeiter verschiedenster Institutionen könnten hier auf ein Übersichtswerk zurückgreifen, in dem die zentralen Themen und Entwicklungen des Fachgebietes komprimiert dargestellt werden.
Wenngleich oder besser, obwohl das Werk für die ins Auge gefasste Zielgruppe einen hervorragenden Überblick über das Handlungs- und Aufgabenfeld der Pflege in Deutschland mit einer Fülle von empirischen Detailinformationen und weiterführender Literatur bietet, stellt sich die Frage, warum es erst jetzt als (billigere) Studienausgabe veröffentlicht wurde. Hierfür dürften in erster Linie ökonomische Gründe vonseiten des Verlages ausschlaggebend gewesen sein. Um „den erreichten Entwicklungsfortschritt der Pflegewissenschaft aufzuzeigen und zugleich voranzutreiben“, hätte man jedenfalls keine drei Jahre warten müssen.
Eine Rezension von Dr. Hubert Kolling