Pühl: Mut zur Lösunf

Harald Pühl (Hrsg.)

Mut zur Lösung

Konflikte in Klinik, Praxis und Altenpflege
Ein Leitfaden zur Anwendung von Mediation

Ulrich Leutner Verlag, Berlin, 2012, 184 S., 22,00 €, ISBN 978-3-934391-56-7

Das Gesundheitswesen ist ein besonders konfliktträchtiges Feld. Eine Vielzahl unterschiedlicher Akteure mit je eigenen Interessen und Selbstverständnissen stehen sich gegenüber und sind doch auf enge Zusammenarbeit angewiesen. Sie befinden sich in hoher gegenseitiger Abhängigkeit bei ständiger kurzfristiger Instabilität und müssen sich aufgrund äußerer Einflüsse jederzeit auf mittel- und längerfristigen Wandel einstellen.

Der Sammelband „Mut zur Lösung“ fasst kompakt und konzentriert Ursachen und Lösungsstrategien für Konflikte in Krankenhäusern sowie der stationären und ambulanten Pflege zusammen und macht Führungskräfte im Gesundheitswesen mit der Methode der Mediation bekannt.

Auch jenseits offensichtlicher Notwendigkeit von Vermittlung zwischen gegensätzlichen Positionen und Interessen wie etwa bei Macht- oder Abrechnungskonflikten öffnen sich hier weite Felder. So kommt es im Zusammenhang mit Organisationsentwicklungsmaßnahmen, dem Beschwerde- oder Case Management zu Reibungsverlusten bis hin zu lähmenden Gegensätzen. Eine verantwortungsvolle Führung wird bereits proaktiv Mediation als Teamentwicklungsmaßnahme einsetzen, bevor ein Konflikt sich so weit verfestigt hat, dass ohne externe Unterstützung die Leistungsfähigkeit eines Teams oder einer Abteilung infrage steht.

Je nach Dimension des Konflikts und der Konstellation der Beteiligten bieten sich unterschiedliche Spielarten von Mediation an. Bei Organisationskonflikten wird eine Organisationsmediation - gegebenenfalls mit Feedback an die Vorgesetzten der Konfliktparteien über deren Führungsverhalten oder andere mögliche Konfliktursachen - notwendig sein. Bei Teamkonflikten empfiehlt sich als Pre-Mediation eine Analyse nach den Team-Kategorien Produktivitäts-, Schein-, Fun- oder Erfolgsteam; Ziel der Mediation ist dann, die Einheit zu Letzterem zu entwickeln.

Siegfried Lachmair hält darüber hinaus fest, dass der generelle Nutzen der Mediation nicht nur darin besteht, einen Konflikt aufzulösen. Mit ihrem Einsatz wird an die interne und gegebenenfalls auch externe Öffentlichkeit vermittelt, dass die Mitarbeiter ernst genommen werden und das Management an einem gedeihlichen Arbeitsklima interessiert ist. Darüber hinaus entstehen Lernprozesse, mit denen zukünftige Auseinandersetzungen von Anfang an konstruktiver bearbeitet werden können. Auch insofern ist eine Mediation immer günstiger als ein gerichtliches Verfahren, das nur den Sachinhalt klärt, aber nicht für die weitere Kooperation der gegnerischen Parteien sorgen kann.

Die Frage, ob Führungskräfte selbst eine Mediatorenrolle einnehmen sollten, erörtert Martina Pruckner in ihrem Beitrag zur ambulanten Pflege. Sie arbeitet heraus, dass in einer komplexen Selbstbefragung zu klären ist, ob sich die Leitungsperson die erforderliche Neutralität herausnehmen kann oder ob die Notwendigkeit, Entscheidungen zu treffen, eine interne Mediation ausschließt.

Sie weist jedoch darauf hin, dass die Übergänge zwischen Konfliktgesprächen und Mediation fließend sind, Mediation ist kein monolithisches Patent-Konzept. Die Verantwortlichen können sich, auch wenn sie zu involviert sind, um als Mediator zu fungieren, „mediativer Haltung und mediativen Vorgehens“ (91) bedienen.

Insgesamt liefert der Band somit eine gut strukturierte und lesbare Übersicht zu den spezifischen Anforderungen an und Spielarten von Mediation im Gesundheitswesen. Einzig der Beitrag zur stationären Altenpflege von Deym-Soden wirkt mehr wie eine Gedankensammlung denn wie ein fertiger Aufsatz. Hervorhebenswert ist jedenfalls ihre Forderung nach Allparteilichkeit statt Neutralität: Schwache Parteien (wie etwa Heimbewohner) dürfen vom Mediator durchaus gestärkt werden.

Leitungspersonen, die Konflikte in ihrem Bereich zu bearbeiten haben, aber auch an einer eigenen Weiterbildung zum Thema Mediation Interessierte finden in „Mut zur Lösung“ zahlreiche Denkanstöße und Literaturverweise, um mit einer komplexen und konfliktträchtigen Realität im Gesundheitswesen besser umzugehen.

Eine Rezension von Martin Braun