Entscheidend ist zukünftig der Grad der Selbstständigkeit
Ein wichtiges Element der jetzt eingeleiteten Pflegereform ist die Neu-Definition von Pflegebedürftigkeit. Im Rahmen zweier bundesweiter Studien testen derzeit Gutachter des MDK Baden-Württemberg ein neues Verfahren zur Pflegebegutachtung. Bei der in diesen Tagen abgeschlossenen Evaluation im Pflegeheim Neckarhaus in Edingen-Neckarhausen bestätigen die Studienteilnehmer die ersten positiven Erfahrungen mit der neuen Systematik.
Leistungsverbesserungen für pflegebedürftige Menschen und deren Angehörige ab 1. Januar 2015 – so will es das in diesen Tagen vom Bundestag beschlossene erste Pflegestärkungsgesetz. Mit dem zweiten Pflegestärkungsgesetz sollen dann noch in dieser Legislaturperiode der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff und ein neues Begutachtungsverfahren kommen.
In zwei Modellprojekten, an denen der MDK Baden-Württemberg beteiligt ist, wird überprüft, wie sich die neue Systematik in der Praxis bewährt. Nach der in Baden-Württemberg im Juli bereits abgeschlossenen „Praktikabilitätsstudie“ zogen die Gutachter ein positives Fazit: Statt zu erfassen, wie viele Minuten Pflege der Mensch benötigt, wird künftig ermittelt, was er noch selbstständig kann. Das Leben des pflegebedürftigen Menschen wird nicht mehr nur auf Körperpflege, Ernährung und Mobilität reduziert.
An der ebenfalls bundesweiten „Evaluationsstudie“ nehmen nun in Baden-Württemberg acht Pflegeheime teil. Dabei erfassen deren Mitarbeiter, welche Leistungen mit welchem Zeitaufwand für die einzelnen Pflegebedürftigen erbracht werden. Außerdem untersuchen acht Gutachter des MDK Baden-Württemberg rund 400 Bewohner, wie diese nach dem neuen System eingestuft würden.
Im Pflegeheim Neckarhaus in Edingen-Neckarhausen wurde die Evaluation in diesen Tagen abgeschlossen. Wohnbereichsleiterin Inci Alp berichtet, dass die Erfassung für die Mitarbeiter zwar aufwändig und anstrengend aber insgesamt problemlos gewesen sei.
Für die Gutachter des MDK Baden-Württemberg, die im Pflegeheim Neckarhaus 46 Bewohner visitiert haben, bestätigte sich der erste positive Eindruck vom neuen Begutachtungsverfahren.
So zeigt sich beispielsweise Frau Z. der MDK-Gutachterin Waltraud Krömer zwar als motorisch noch sehr mobile Seniorin. Aufgrund ihrer fortgeschrittenen Demenz muss sie jedoch stetig angeleitet und unterstützt werden. Da die 80-jährige Dame zeit ihres Lebens Mitglied im Turnverein war, erweist sich das aktuelle Gruppenangebot im Pflegeheim Neckarhaus als optimal: Beim Zumba Gold, einem speziell auf ältere Teilnehmer zugeschnittenen Fitness-Angebot, kann sie zwar die Anleitungen des Trainers nicht verstehen, imitiert aber fleißig dessen Bewegungen.
Auch die 90-jährige Frau S. ist noch relativ autark und mobil. Doch sie ist nicht mehr in der Lage, ihren Tagesablauf zu strukturieren. Überdies hat sie einen ausgeprägten Bewegungsdrang. So geht sie bei gutem Wetter im geschützten Garten der Einrichtung spazieren – unterstützt von den Mitarbeitern. Bei schlechtem Wetter nutzt sie die Bewegungsangebote im „Neckarhaus“.
Dass bei der Feststellung der Pflegebedürftigkeit nicht mehr nur die körperlichen oder psychischen Einschränkungen allein im Vordergrund stehen, ist aus Sicht der Gutachter ein besonderer Fortschritt der Neu-Definition des Pflegebedürftigkeitsbegriffs. Entscheidend ist künftig die Fragestellung: Was kann jemand noch alleine schaffen - und wo ist Unterstützung erforderlich? Hiervon profitieren alle Pflegebedürftigen in gleichem Umfang – ob schwer demenziell erkrankte Menschen wie Frau S. und Frau Z. im „Neckarhaus“ oder Menschen mit rein körperlichen Einschränkungen.
„Es bleibt dabei: Ich freue mich auf das zukünftige Begutachtungsverfahren“, betonte MDK-Gutachterin Sabine Weidner, die bereits bei der Praktikabilitätsstudie positive Erfahrungen mit der neuen Systematik sammeln konnte.
Anfang 2015 sollen die Ergebnisse des gesamten Modellprogramms vorliegen. Im Anschluss daran beginnen die gesetzgeberischen Arbeiten sowie die praktische Umsetzung.
Bildmaterial zum Download
http://bit.ly/mdkbw_NBAEvaStudie