pflegen helfen – Hundert Jahre Württembergische Schwesternschaft vom Roten Kreuz

pflegen helfenSebastian Knoll-Jung
pflegen helfen
Hundert Jahre Württembergische Schwesternschaft vom Roten Kreuz

Texte: Katrin Keßler, Asli Özdemir. Konzeption und Gestaltung: Designstudio collect. Herausgegeben von der Württembergischen Schwesternschaft vom Roten Kreuz e. V., [Selbstverlag], Stuttgart, 2019, Festeinband, 324 Seiten, 29,90 €, ISBN 978-3-00-062432-2

Seit mehr als einem Jahrhundert helfen Rotkreuzschwestern Menschen in Not und bewähren sich in den unterschiedlichsten Situationen und Einsatzgebieten – in Deutschland und in der Welt. Der 1882 gegründete „Verband der Schwesternschaften vom Deutschen Roten Kreuz e. V.“ mit Sitz in Berlin, der wie kaum eine andere Vereinigung für die untrennbare Verbindung von Traditionsbewusstsein, Innovation und Fortschritt steht, indem er sich über alle Veränderungen hinweg unermüdlich für die Idee der Menschlichkeit sowie eine qualitativ hochwertige Gesundheitspflege und die Fortentwicklung des Pflegeberufes einsetzt, vertritt dabei heute bundesweit 31 DRK-Schwesternschaften mit rund 21.000 Mitgliedern.

Zum besagten Verband gehört auch die „Württembergische Schwesternschaft vom Roten Kreuz e. V.“ (WSSRK) mit Sitz in Stuttgart, die als Anbieter für Pflegedienstleistungen in Krankenhäusern, Sozialstationen, Alten- und Pflegeeinrichtungen tätig ist, wobei ihre etwa 1.800 Mitglieder entweder in eigenen Einrichtungen, unter anderem dem Alten- und Pflegeheim Haus Eichholzgärten in Sindelfingen, oder bei über 80 Kooperationspartnern, wie dem Klinikum Stuttgart, dem Klinikverbund Südwest, den ALB FILS KLINIKEN oder auch den medius KLINIKEN arbeiten.

1919 auf Initiative von Charlotte von Württemberg (1864-1946) als überkonfessionelle Schwesternschaft des Roten Kreuzes in Württemberg unter dem Namen „Charlottenschwestern“ in Bad Cannstatt gegründet, konnte die WSSRK im Jahre 2019 ihr 100-jähriges Bestehen feiern. Anlässlich des Jubiläums gab der Verband, der heute ein wichtiger Bestandteil des Gesundheitswesens in Baden-Württemberg ist, die umfangreiche Festschrift „pflegen helfen“ heraus, in der – untergliedert in sechs Kapitel – die facettenreiche Geschichte der Vereinigung in Stuttgart und der Region von ihren bescheidenen Anfängen in Bad Cannstatt über die 1920er Jahre, den Zweiten Weltkrieg (1939-1945) und die Nachkriegszeit bis hin zum heutigen modernen Verein und Gesundheitsdienstleister anschaulich in Wort und Bild geschildert wird. Nicht ausgelassen wurde dabei auch die Zeit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, der sich ein eigenes Kapitel widmet. Ergänzt wird das durchgängig mit Schwarzweiß- und Farbabbildungen illustrierte Werk, das sich auf Archivalien, Tagebücher, Protokolle, Fotoalben und Interviews mit Zeitzeug*innen stützt, durch einen Anhang, der eine Übersicht über die Oberinnen, ein Personenregister, Literaturverzeichnis und Fotonachweis enthält.

Bei dem gewählten Buchtitel handelt es sich um das Motto, das sich der 1899 auf Betreiben des „Schwäbischen Frauenvereins“ gegründete „Pflegeschwesternverband“ – die unmittelbare Vorläuferorganisation der späteren WSSRK – gegeben hatte. Nach dem Verständnis dieses „Hilfspflegerinnen-Verbandes“, wie er zunächst hieß, war die Krankenpflege nicht mehr reiner Liebesdienst, vielmehr versuchte man, sie als akzeptierten Frauenberuf zu etablieren. Zugleich wollte man damit auch gebildeten Frauen und Mädchen, die die Krankenpflege erlernt hatten, sich aber nicht ganz von ihrer Familie lösen konnten, einen befriedigenden Beruf und einen angemessenen Verdienst verschaffen.

Verfasst wurde das tiefgründig recherchierte und ansprechend gestaltete Buch „pflegen helfen“ von dem Historiker Sebastian Knoll-Jung, der als Stipendiat am Institut für Geschichte der Medizin der Robert Bosch Stiftung in Stuttgart beschäftigt war und seit Februar 2019 als wissenschaftlicher Mitarbeiter des Historischen Seminars der Universität Heidelberg im Bereich Wirtschafts- und Sozialgeschichte tätig ist. Besonders hervorgehoben werden kann, dass der Autor seine auf einer breiten Quellenbasis basierende Darstellung durchgehend in die allgemeine Rotkreuzgeschichte und die zeitgenössische Entwicklung eingebunden hat.

Zu der Veröffentlichung haben mehrere Personen ein Grußwort beigesteuert, neben Gerda Hasselfeldt, Präsidentin des Deutschen Roten Kreuzes e. V., Manne Lucha, Minister für Soziales und Integration Baden-Württemberg, und Fritz Kuhn, Oberbürgermeister Stadt Stuttgart, auch Dr. Lorenz Menz, Ehrenpräsident des DRK Landesverbandes Baden-Württemberg e. V. und Vorstandsmitglied der Württembergischen Schwesternschaft vom Roten Kreuz e. V., wobei der zuletzt genannte unter anderem festhält: „Es ist ein Segen, dass wir in unserem Land diese starke Gemeinschaft von Rotkreuzschwestern haben, die ihre Zeit, ihre Kraft und ihre Zuwendung einsetzen, um kranken und alten Menschen zu helfen. Und die es trotz der schwierigen Rahmenbedingungen in der Pflege durch den personellen Mangel mit ansteckender Freude und Begeisterung tun. Keine Statistik wird je ausweisen, was Rotkreuzschwestern in den vergangenen 100 Jahren an Lebensmut und Zuversicht vermittelt haben“ (S. 11).

In ihrem Vorwort bringt Oberin Susanne Scheck, Vorsitzende des Vorstands Württembergische Schwesternschaft vom Roten Kreuz e. V., ihre Freude zum Ausdruck, die bemerkenswerten Geschichten der Schwestern der Württembergischen Schwesternschaft vom Roten Kreuz vorstellen zu können. Zur Bedeutung und Intention der Festschrift schreibt sie sodann: „Mit der getroffenen Auswahl möchte ich Ihnen die vielfältigen Lebenswege präsentieren, die unsere Rotkreuzschwestern seit unserer Gründung 1919 erlebt haben. Diese stehen stellvertretend für die außergewöhnlichen Frauen, die unsere Organisation formten. In diesem Buch setzen wir uns auch mit der Geschichte unserer Schwesternschaft in der Zeit des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkriegs auseinander. Unsere Darstellungen erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern schildern anhand weniger Beispiele die Lebenswelt der Rotkreuzschwestern zu dieser Zeit. Wir wissen um unsere Verantwortung. Nur wenn wir diese Epoche kennen und versuchen zu verstehen, können wir die Zukunft menschenwürdiger gestalten“ (S. 12).

Jubiläen bieten für Unternehmen, Vereine und Verbände immer wieder Anlass, sich und ihre Geschichte der Öffentlichkeit in Form von Festschriften (möglichst positiv) zu präsentieren. Nicht selten handelt es sich dabei um „Eigengewächse“, in denen die jeweilige Institution in einem möglichst „schönen Bild“ dargestellt und gelegentlich negative Begebenheiten beflissentlich außer Acht gelassen werden. Auf die Württembergische Schwesternschaft vom Roten Kreuz e. V. treffen solche Kritikpunkte nicht zu. Im Gegenteil hat sie in einer Zeit, in der dies keineswegs mehr selbstverständlich ist, die Gelegenheit wahrgenommen, zu ihrem Jubiläum das Buch „pflegen helfen“ herauszugeben, mit dessen Erarbeitung sie einen externen Historiker beauftragt hat. An diesem vorbildlichen Handeln sollten sich andere Institutionen, die ebenfalls eine Festschrift für ihre Institution ins Auge fassen, orientieren. Einstweilen kann man der WSSRK und dem Autor zu ihrem gelungenen Werk nur herzlich gratulieren und ihnen eine große Leserschaft wünschen.

Bleibt noch der Hinweis, dass das Buch für seine abwechslungsreiche Textgestaltung mit ausdrucks- und inhaltsreichen Bildern inzwischen mehrfach – unter anderem von der Stiftung Buchkunst als eines der
„25 schönsten deutschen Bücher 2020“ und dem Deutschen Design Club mit dem „Silber Award“ im Bereich Publishing – ausgezeichnet wurde.

Eine Rezension von Dr. Hubert Kolling