Petr Jelínek (Hrsg.)
Germanische Provinz des Hospitalordens des Hl. Johannes von Gott bis 1780 – Teil 1
Konvent der Barmherzigen Brüder in Teschen, 1. gebundene Auflage, 179,90 Euro, Cieszyn 2018
Hospitalorden der Frühen Neuzeit haben bisher wenig Beachtung gefunden. Licht in dieses noch dunkle Kapitel bringt nun ein Buch, das sich mit der Geschichte der Barmherzigen Brüder beschäftigt. Der 1586/1611 gegründete Orden der Barmherzigen Brüder errichtete eine seiner Provinzen 1659 im Heiligen Römischen Reich. Sie wurde als deutsche bzw. als germanische Provinz bezeichnet und stand unter dem Schutz des Heiligen Erzengel Michael. Später erstreckte sie sich noch auf Ungarn. 1781 zerfiel die Provinz in die österreich-ungarische und die sog. deutsche Provinz. Zu letzterer gehörten die Konvente in Breslau, Bruchsal, Deidesheim, Mannheim, München, Münster, Neuburg und Neustadt. Der hier vorgestellte Band behandelt den Zeitraum von der Gründung der germanischen Provinz im Jahr 1659 bis zur ihrer Auflösung im Jahr 1781. Das Buch gliedert sich in zwei Teile, nämlich in einen Allgemeinen Teil, der Informationen zur Organisation des Ordens und seiner Konvente enthält, und in einen speziellen Teil, der sich der Geschichte der einzelnen böhmischen Klöster (nämlich der Geschichte des Klosters der Heiligen Simon und Juda in der Prager Altstadt, des Klosters Neustadt an der Mettau, des Klosters Kukus und des Klosters der Heiligen Familie in der Prager Neustadt) widmet. Der Herausgeber plant noch drei weitere Bände, in denen die Wirkungsstätten des Ordens in Mähren und Schlesien, in Ungarn und in den österreichischen Erbländern sowie in den Teilstaaten des Heiligen Römischen Reichs und in Triest und Görz vorgestellt werden.
Einleitend wird im ersten Band die bereits erforschte Gründungsgeschichte des Ordens vorgestellt. Ein weiteres Kapitel bemüht sich um die Darstellung der Kommunikation zwischen der Generalkurie des Ordens in Rom und der germanischen Provinz. Dies ist aufgrund der schlechten Quellenlage, wie der Beitrag aufzeigt, ein schwieriges Unterfangen und fördert nur einige wenige Aspekte zutage, etwa das Bemühen einiger Brüder aus dem Orden auszutreten. Eine weitere Abhandlung beschäftigt sich mit den Apotheken des Ordens. Grundsätzlich verfügte jedes Kloster über eine eigene Apotheke. Sie wurde von einem Apotheker, der Mitglied des Ordens war, geleitet. Seine Ausbildung, die mit einer Prüfung abgeschlossen wurde, hatte er entweder bei einem weltlichen Apotheker oder bei einem Apotheker des Ordens absolviert. Unterschiedlich war die Regelung, ob die Medikamente nur für die eigenen Kranken oder auch für den Verkauf bestimmt waren. Wie in dem Band dargelegt wird, besaßen die Konvente auch einen umfangreichen Buchbestand, der sich allerdings mit dem der kontemplativen Orden nicht messen konnte. In der Regel gab es in den Klöstern der Barmherzigen Brüder eine Konvent-, eine Apotheken- und eine „Krankenhausbibliothek“. Im Gegensatz zu anderen Orden war den Hospitalbrüdern auch privater Buchbesitz gestattet. Zugleich waren die Konvente, wie ausgeführt wird, Zentren eines regen Musiklebens. Es haben sich bedeutende Musiksammlungen erhalten. Mitunter handelte es sich bei den Ordensmitgliedern um hochbegabte Musiker. Die Musik nahm einen so hohen Stellenwert im Leben der Klosterbrüder ein, dass sogar Musiker gegen Entgelt bestellt wurden.
Am Beispiel der ungarischen Konvente wird dargelegt, dass auch die Barmherzigen Brüder mit den Idealen der Aufklärung konfrontiert wurden und reagieren mussten. Die Brüder setzten sich mit schlüssigen Argumenten gegen die Reformmaßnahmen Maria Theresias und Joseph II. zur Wehr. Wie aufzeigt wird, kam es letztlich zu keinen grundlegenden Veränderungen der klösterlichen Welt, es veränderte sich aber das soziale Umfeld der Brüder. Es erwuchs ihnen eine ernstzunehmende Konkurrenz durch die Etablierung städtischer bzw. staatlicher Krankenhäuser.
Einen Schwerpunkt des Buchs bildet die umfangreiche Auswertung der Krankenprotokolle. Dieser Aufgabe hat sich der Herausgeber angenommen und interessante Erkenntnisse gewonnen. Die sog. Krankenprotokolle nennen Vor- und Nachnamen der Patienten sowie ihr Alter, ihr Herkunftsland, ihren sozialen Stand (Beruf) und ihre Erkrankung. Die Spitäler der Barmherzigen Brüder standen allen Konfessionen offen, der Anteil Andersgläubiger war allerdings verschwindend klein. Aufnahme fanden nur männliche Kranke, weibliche Kranke wurden von speziellen Frauenorden aufgenommen. Da sowohl der Tag der stationären Aufnahme als auch der der Entlassung bzw. der Todestag Erwähnung finden, konnte die Aufenthaltsdauer der Patienten im Spital berechnet werden. Sie betrug im Durchschnitt um die 20 Tage, die der Verstorbenen war etwas länger. Die Entlassung der Patienten besagt natürlich nichts über den Heilerfolg; auch wenn keine Besserung eintrat oder der Tod drohte, konnten Patienten entlassen werden. Mit einem durchschnittlichen Alter von 30 Jahren waren die Patienten der Barmherzigen Brüder auch für die damalige Zeit noch nicht alt. Im Durchschnitt verstarben um die 12 Prozent der stationär behandelten Patienten. Ohne auf Vermögenslisten zurückgreifen zu können, ordnet der Herausgeber die Patienten der Ober- sowie der oberen- und unteren Mittelschicht und der Unterschicht zu. Dass die Bildung entsprechender Zuordnungskategorien überaus problematisch und auch unter verschiedenen Aspekten kritisch ist, wird dargelegt. Dennoch geben solche Kategorienbildungen einen groben Überblick zu den sozialen Rekrutierungsmustern der Patienten. Die gewonnenen Ergebnisse bestätigen die bisherigen Erkenntnisse. Die Spitäler der Frühen Neuzeit waren keine Orte, die vermögende Kranke zur stationären Versorgung aufsuchten. So stellte die untere Mittelschicht und die Unterschicht das größte Kontingent an Patienten, im Durchschnitt zusammen 85 Prozent. Der Adel spielte mit 0,3 bzw. 0,2 Prozent so gut wie keine Rolle. Die Krankenprotokolle unterrichten auch über das Krankheitsspektrum der Patienten. Auch hier ist die Kategorienbildung, um statistische Aussagen treffen zu können, fragwürdig. Die Krankenprotokolle nennen gemäß dem damaligen Diagnosestand im Allgemeinen nicht die Ursache der Erkrankung, sondern die Symptome. Die Analyse der Krankenprotokolle zeigt, dass der größte Teil der aufgenommenen Patienten, nämlich über 40 Prozent, an einer Fiebererkrankung litt.
Der zweite Teil behandelt die Geschichte der Niederlassung und Finanzierung der oben genannten böhmischen Klöster. Im Fokus steht die Institutionengeschichte. Chronologisch werden die zahlreichen Stiftungen, die den Klöstern zugutekamen, aufgelistet. Im Rahmen der Finanzierung wird das Augenmerk v.a. auch auf Bauausgaben gerichtet. Die Patienten und der Krankensaal stehen – vermutlich aufgrund der Quellenlage – nicht im Fokus. Zu den genannten Klöstern gibt es des Weiteren jeweils einen Beitrag zur künstlerischen Gestaltung der Kirchen sowie noch einmal einen Bericht über die Krankenhausprotokolle der
jeweiligen Klöster.
Insgesamt gesehen, stellt der Band umfangreiches Material zur Analyse künftiger Forschungen bereit. Das heißt, im Allgemeinen wurden die Quellen chronologisch zusammengestellt, Strukturen – abgesehen von der Auswertung der Krankenprotokolle – aber nur in geringem Umfang herausgearbeitet. Über die Krankenpflege der Brüder, die sie den Kranken angedeihen ließen, erfahren wir so gut wie nichts. Weitere Sichtungen der Archivbestände werden zeigen, ob diesbezüglich noch neue Erkenntnisse gewonnen werden können. Die Gründe, die zur Spaltung der Provinz führten, werden wohl erst in den nächsten Bänden thematisiert. Kritisch anzumerken ist noch, dass das Buch aufgrund fehlerhafter Übersetzung nur schwer lesbar und dadurch bedingt auch Fehler enthält. Ein gründliches Lektorat wäre dringend angebracht gewesen. Insgesamt gesehen, enthält das Buch aber wichtige Informationen und erlaubt, Rückschlüsse zu den Ordensspitälern der Frühen Neuzeit zu ziehen.
Eine Rezension von Dr. Bettina Blessing