Vom Krankenhaus Barmbek zum Quartier 21 (hamburger bauheft 27)

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Vom Krankenhaus Barmbek zum Quartier 21 (hamburger bauheft 27)

Schaff-Verlag. Hamburg 2019, 68 Seiten, broschiert, 9,00 Euro, ISBN 978-3-944405-43-8

Unter dem Motto „Architektur verstehen“ vermitteln die „Hamburger Bauhefte“ Fakten, Bezüge und Hintergründe – veranschaulichend und fundiert. Die inzwischen rund 30 Ausgaben umfassende Schriftenreihe, die ein Bewusstsein für die Entstehung von Architektur in ihren historischen, gesellschaftlichen und kulturellen Zusammenhängen schaffen möchte, widmet sich dabei einzelnen Objekten, die durch ihre Geschichte und aktuellen Aspekte von besonderem Interesse sind. Zu ihnen zählt zweifelsfrei auch das 1913/14 eingeweihte Dritte Allgemeine Krankenhaus in Barmbek, dessen Bau und Entwicklung bis zum heutigen Quartier 21
Jörg Schilling in der vorliegenden Arbeit vorstellt.

Für das von Baurat Dr.-Ing. Friedrich Ruppel (1854-1937) nach medizinisch-hygienischen Kriterien geschaffene und nach bürgerlichen Reformvorstellungen gestaltete System von Pavillonbauten wurde nach dem Bau der Asklepios-Klinik Barmbeck (2005) ein Umwandlungsprozess eingeleitet. Dabei entstand bis 2013 ein neues Quartier mit gemischter Nutzung, dessen Herzstück 21 denkmalgeschützte Bauten sind, die durch Neubauten für Gewerbe, vor allem aber durch Wohnungen speziell für junge Familien ergänzt wurden.

Die Lektüre der schmalen, durchgehend mit einer Vielzahl von zeitgenössischen Schwarzweiß- und Farbfotos sowie Bauplänen illustrierten Schrift ist dabei durchaus auch für an der Krankenhausgeschichte sowie an der historischen Pflegewissenschaft Interessierte interessant. Einleitend weist der Autor, der unter anderem als Freier Kunsthistoriker, Kurator und Dozent arbeitet, Inhaber des Schaff-Verlags und Herausgeber der „hamburger bauhefte“ ist sowie eine Reihe von Forschungsarbeiten und Publikationen zur Kultur- und Architekturgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts vorgelegt hat, auf die Bedeutung und Intention der Veröffentlichung hin. Demnach nimmt sich das vorliegende Bauheft „eines besonders eindrucksvollen, jedoch bisher kaum gewürdigten Kapitels Hamburger Architektur- und Krankenhausgeschichte an“ (S. 4). Damit verbunden sei zugleich die Intention, an die ursprüngliche Nutzung und die soziale wie kulturelle Bedeutung dieser Krankenhausanlage zu erinnern, ebenso, dass die besagte Krankenversorgung und -pflege einst in staatlicher Hand und Verantwortung lagen.

In der insgesamt knappen Darstellung beleuchtet Jörg Schilling zunächst die Standortfrage und Pavillonbauweise, bevor er die konkreten Planungen für das Krankenhaus Barmbek mit seinen rund 1.500 Betten in den Blick nimmt. Wie er hierbei zeigt, sollten auf dem Gelände neben dem Direktor, Ärzten, Verwaltungsbeamten, Inspektoren und technischen Angestellten auch „Oberwärtern und Schwestern“ untergebracht werden. Entgegen vorherigen Plänen seien schließlich für die Unterbringung von Beamten, Angestellten und Wärtern – außer dem Direktorenwohnhaus im Krankenhausbereich – aber keine eigenen Gebäude, sondern Unterkünfte in den Dachgeschossen der Krankenpavillons eingerichtet worden. Während Baurat Ruppel das geplante Schwesternhaus „mit Rücksicht auf die sehr erheblichen Kosten“ hätte gänzlich streichen wollen, habe Direktor Dr. med. Carl August Theodor Rumpel (1862-1923) vorgeschlagen, das Schwesternhaus auf die geplanten Sozial- und Gesellschaftsräume nebst Gartenanlage zu reduzieren. Schließlich habe man sich darauf verständigt, „dass auch die Schwestern Wohnräume innerhalb der Pavillons beziehen sollten“ (S. 13).

In kurzen Abschnitten stellt der Autor die einzelnen Gebäude in Wort und Bild vor: das Direktorenwohnhaus, die Wirtschaftsgebäude, das Verwaltungsgebäude, das Tor- und Aufnahmegebäude, das Zentralgebäude, die „Kostgängerhäuser“ und den Ehrenhof, ebenso wie die Medizinische Abteilung, die Chirurgische Abteilung mit Operationshaus, die Infektionsabteilung, die Pathologie, die sogenannte „Puellenstation“ (Spezialabteilung für Prostituierte), die Frauenpavillons, die Garten-, Straßen- und Maueranlagen sowie das zweigeschossige „Schwesterhaus“. Letzteres, mit einem teilweise ausgebauten Dachgeschoss versehene Gebäude, das zwischen der Pathologie und dem Wirtschaftsgebäude im östlichen Anstaltsbereich lag, habe nur wenige Wohnungen für Oberschwestern beherbergt und ansonsten als Gesellschaftshaus gedient.

Das „Herzstück“ des Schwesterhauses sei ein großer Speisesaal im Erdgeschoss gewesen, der über ein großes Oberlicht in der tonnengewölbten Decke verfügte: „Ein Lese- und Musikzimmer, eine Anrichte und Bibliothek umrahmten den Speisesaal. Da hier ‚der Krankendienst von der Erholung abgelöst‘ werden sollte, wurde auf die ‚bauliche Ausstattung‘ der Haupträume im Erdgeschoss ‚größeres Gewicht‘ gelegt. Farbige Glasfenster und dekorative Wandfriese, Ornamente oberhalb der Türen und Fenster sowie die Eichenholzvertäfelungen an den Wänden verliehen den Räumen ein ‚feierliches‘ Ambiente. Nach Norden gingen sie in zwei Loggien und eine große Terrasse über, die von einer Balustrade begrenzt wurde und von der eine Treppe in den Gartenbereich führte“ (S. 33).

Unterdessen wurde ein großer Teil der verfügbaren Betten des am 20. August 1914 – kurz nach Beginn des Ersten Weltkriegs (1914-1918) – eingeweihten Krankenhauses Barmbek als Reservelazarett beansprucht. Während in diesem Zusammenhang Jörg Schilling von der Einrichtung einer „orthopädischen Werkstelle“ zur Anfertigung von Prothesen im Keller des Operationshauses berichtet, bleibt das Pflegepersonal und dessen Arbeitsalltag bedauerlicherweise völlig ausgeblendet.

Im Abschnitt über die Erweiterungs- und Neubauten der 1920er bis 1940er Jahre erfährt die Leserschaft immerhin, dass 1927 am Südrand des Geländes ein Sportplatz – zusätzlich zu dem Tennisplatz – für das Pflegepersonal des Krankenhauses entstanden sei, „nachdem ein solcher für die Ärzte der Anstalt schon länger vorhanden war“ (S. 49).

Die Berichterstattung über „die neue politische Situation“, wie der Autor die NS-Zeit nennt, fällt sehr kurz aus, wobei immerhin mitgeteilt wird, dass der Direktor sowie zwölf jüdische Ärzte von den Nationalsozialisten 1933 entlassen wurden. Hinweise auf das Pflegepersonal und dessen womögliche Verstrickungen in die NS-“Euthanasie“ gibt es auch hier keine.

Im darauffolgenden Abschnitt über die Entwicklung des Geländes von der Nachkriegszeit bis 2005 erscheint für Pflegehistoriker*innen interessant, dass 1957 ein neues Schwesternwohnhaus gebaut wurde. Dieses enthielt 80 „Einzelunterkünfte“ auf fünf Stockwerken und fasste die ehemals in den Dachgeschossen der Pavillons untergebrachten Wohnungen der Pflegerinnen zusammen. Ebenso seien Anfang der 1960er Jahre zwei weitere Schwesternhäuser entstanden.

Im Schlussabschnitt wird schließlich das neue „Quartier 21“ vorgestellt, in dem heute 1.200 Menschen leben.

Wer sich intensiver mit dem Dritten Allgemeinen Krankenhaus in Barmbek und dessen der Geschichte bis zur Gegenwart beschäftigen möchte, findet am Ende der Darstellung entsprechende Quellen und Literatur.

Insgesamt betrachtet ist die schmale Schrift „Vom Krankenhaus Barmbek zum Quartier 21“ lesenswert, wenngleich man sich unter pflegehistorischen Gesichtspunkten ausführlichere Informationen zum Pflegepersonal und – außer der Außenansicht vom Schwesternhaus und dessen Speisesaal – wenigstens eine Abbildung mit Schwestern und Pflegern gewünscht hätte.

Eine Rezension von Dr. Hubert Kolling