Pflegequalität – Arbeitsbuch für die ambulante Pflege bei Aids (Ewers, Michael:)Hrsg.: Deutsche Aids-Hilfe e.V., Schlütersche, 1998, 280 S. – 24,5 x 17,3 cm – Gebunden, ISBN 3-87706-473-6, 69,– DM / 62.50 CHF / 504,– ATSRezension von: Cordula Meyer, Diplom-Krankenschwester, FH-Jena, Fernstudiengang Pflege |
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Als Arbeitsbuch konzipiert, vereint der Verfasser in ihm die Darstellung pflegewissenschaftlicher Grundlagen mit konzeptionellen Überlegungen zur Patientenorientierung und praktischen Hinweisen zur Durchführung der ambulanten, speziell auf AIDS Erkrankte bezogenen Schwerstkrankenpflege. Es soll zur Vorbereitung der beruflichen Tätigkeit der Pflegenden, zur Vertiefung von Kenntnissen und (begrenzt) als Wissensvermittlung und Lehre in Ausbildung und Studium eingesetzt werden. Den Hintergrund für das Buch bildet die neue Art der Pflege und Versorgung schwerkranker und sterbender Menschen, die mit dem Modellprogramm zum „Ausbau ambulanter Hilfen für Aids-Erkrankte im Rahmen von Sozialstationen” des Bundesministeriums für Gesundheit 1987 begann. Arbeitsgruppen der Nachfolgeprojekte sammelten über Jahre Erfahrungen und Kenntnisse mit Bezug auf Professionalisierung, Qualitätssicherung, Pflegestandards etc. in der ambulanten Pflege und Versorgung von Menschen mit HIV und Aids. Die umfangreichste Materialsammlung zu diesen verschiedenen Untersuchungen erstellte die Arbeitsgruppe Pflegestandards. Aus diesem reichen Fundus, der ihm zur Verfügung gestellt wurde, konnte EWERS nun auswählen, zusammenstellen und aufbereiten. Die Deutsche AIDS-Hilfe e.V., Herausgeberin des vorliegenden Buches, als Dachverband der örtlichen AIDSHilfen, Selbsthilfegruppen und regionalen Projekte, unterhält eine Bundesgeschäftsstelle in Berlin, deren primäre Aufgabenschwerpunkte die Infektionsvermeidung und Selbsthilfe der Hauptbetroffenengruppen sind. Aus der Spezifik der Aids-Erkrankung hatte sich in Deutschland ergeben, daß sich die herkömmlichen ambulanten Pflegedienste kaum mit dieser Patientengruppe befaßten. Mit der ansteigenden Pflege- und Versorgungsproblematik aber wurde die Integration des Arbeitsbereiches Pflege benötigt. Durch die Chronifizierung des Krankheitsbildes, dem steigenden Anteil der Drogengebraucher und der betroffenen Frauen, sowie die heute längere Lebenserwartung der Aids-Erkrankten, erfordert die qualitative und quantitative Steigerung des Betreuungsaufwandes. EWERS weist darauf hin, daß mehr als 5000 Aids-Erkrankungsfälle bundesweit registriert werden und zweitausend Neuerkrankungen pro Jahr voraussehbar sind. Pflegeeinrichtungen für AIDS Erkrankte wurden bisher nicht erweitert und sind deshalb auch nicht auf die vorhersehbare Entwicklung eingerichtet – Immer mehr schwerkranke und sterbende Menschen müssen künftig zu Hause gepflegt werden. Mit den steigenden Anforderungen wird die Überlastung der Pflegekräfte und unzumutbare Arbeitsbedingungen zunehmen. Um auf die gewachsenen Herausforderungen im Gesundheitswesen qualifiziert und angemessen zu reagieren, sind Maßnahmen der Personalentwicklung, Prozesse der Organisationsentwicklung – effektiverer und effizienterer Einsatz der Ressourcen – und die Wissenschaftsentwicklung mit fundierten Konzepten und empirisch abgesicherten Erkenntnissen nötig. In dem vorliegenden „Arbeitsbuch” entwickelt EWERS ein patientenorientiertes Pflegeverständnis und begründet das gemeinsame Engagement vieler multidisziplinärer Pflegeteams in der Pflege und Versorgung von Menschen mit HIV und Aids. Er gliedert es in drei große Einheiten: 1. Theoretische Grundlagen (gesundheitswissenschaftliche, pflegewissenschaftliche, medizinische, sozialwissenschaftliche, gesetzliche und gesundheitsökonomische) als wissenschaftlichen Hintergrund der Entwicklung von Qualität in der ambulanten Pflege bei der Versorgung von Menschen mit HIV und Aids (nicht gedacht für nur praktisch arbeitende Pflegende). Hier stellt Ewers als pflegetheoretischen Hintergrund die Modelle von D.Orem, H.Peplau und M.Rogers vor, weil sie in der AIDS-Pflege gut anwendbar sind. 2. Konzeptionelle Überlegungen zu Pflegequalität als mehrdimensionaler Prozeß, Pflege als professionelles Handeln, Patientenorientierung als Herausforderung, Besonderheiten der Schwerstkrankenpflege, Pflegequalität als multidisziplinäre Aufgabe, zur Bedeutung der Patientenorientierung in der ambulanten Schwerstkrankenpflege, speziell bei Aids, und als Voraussetzung für: 3. Praktische Hinweise zur Anregung der Weiterarbeit mit Methoden zur Entwicklung von Pflegequalität durch Erstellung von Pflegestandards, Pflegeplanung und Pflegedokumentation sowie mit drei Fallstudien. Letztere stellen sehr eindrücklich die Situationen der schwerkranken Aids- Patienten und der Menschen, die zu ihnen gehören, in ihren schwierigen sozialen Lebensumständen und den begrenzten finanziellen Handlungsspielräumen dar (unter Einbeziehung von Pflegediagnose mit Pflegeproblem, Definition, Ursache/Hintergrund und Syptomen, thematischem Hintergrund und Pflegeplan ). Fragebögen und Pflegepläne geben der Leserin wertvolle Hinweise, wie Probleme systematisch aufgearbeitet und gelöst werden können. In der Schlußbetrachtung weist EWERS nach 10 Jahren ambulanter AIDSPflege, in der er auch zeitweise selbst gearbeitet hat, auf die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit hin. Seine Absicht ist: „Innovative Ansätze in der ambulanten Aids-Pflege transparent (zu) machen” – sowie „Impulse und Denkanstöße für Entwicklung von Pflegequalität in der ambulanten Schwerstkrankenpflege (zu) vermitteln. Mit “Überzeugungsarbeit” will er “Koalitionspartner für den Ausbau der pflegerischen Infrastruktur für schwerkranke und sterbende Menschen gemeinsam mit Aids-Spezialpflegediensten” finden. Dies ist ihm meiner Ansicht nach in seinem Buch gelungen. Die Symbole am Rande des Textes geben Hinweise auf die Bedeutung eines Teilaspekts, Vertiefung des Wissens, Anregung zur Weiterarbeit und dienen als Querverweis auf Zusammenhänge im Text. Sie sind zur Vertiefung der Inhalte hilfreich. Als sehr mühsam empfand ich die Suche nach den Anmerkungen, die nach jedem Text mit der Überschrift 2 eingefügt sind. Außerdem hätte ich gern erfahren, welche Personen in den Arbeitsgruppen an welchen Inhalten gearbeitet haben. Den Schluß bildet ein Serviceteil mit Literaturhinweisen, Anschriften, ergänzenden Informationen und einem Stichwortverzeichnis. Insgesamt ist das Buch ein wichtiger Beitrag zur ambulanten Pflege schwerkranker Menschen, als Leitfaden für die Praktiker, Argumentationshilfe für Politik und Kassen für eine menschenwürdige Versorgung der Kranken, zur Professionalisierung der Pflege und zur Weiterentwicklung der Pflegewissenschaft. Den Pflegenden, die mit diesem Buch arbeiten, wird es Mut machen, den darin beschrittenen Weg fortzusetzen.